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- Persönlichkeitsrechte
Zum Recht am gesprochenen Wort Teil 1
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Art. 2 des Grundgesetzes (GG) wie auch spezielle Grundrechte, so das Grundrecht auf das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis gem. Art. 10 stehen im Rechtsstaat Bundesrepublik in hohem Rang. Sie sind - worauf bereits in anderem Zusammenhang hingewiesen wurde - als Grundrechte Schutz- und Abwehrrechte gegen den Staat, gegen die öffentliche Gewalt. Zugleich beinhalten diese den verfassungsrechtlichen Auftrag an den Staat, insbesondere durch Gesetzgebung den Persönlichkeitsschutz auch gegenüber privaten Dritten zu sichern.
Kürzlich hatte sich der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) in seinem Beschluss vom 9. Oktober 2002 mit dem Schutz des Fernmeldegeheimnisses (Art. 10 Abs. 1 GG) und dem Recht am gesprochenen Wort als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG, insbesondere was den Schutz vor der Nutzung einer Mithöranlage betrifft, zu beschäftigen.
Nicht nur der Gegenstand dieses verfassungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens ist von Interesse. Bemerkenswert sind auch einige Umstände des Verfahrens.
Das BVerfG hatte zwei Verfassungsbeschwerdeverfahren zur gemeinsamen Entscheidung verbunden, bei denen es um die Frage der Verwertung von Aussagen von solchen Zeugen als Beweismittel in einem Zivilprozess ging, die ein Telefongespräch mitgehört hatten. Das eine Ausgangsverfahren betraf die Auseinandersetzungen über Mängelrügen nach dem Kauf eines gebrauchten Kraftfahrzeuges im Jahre 1995. Während die klageabweisende Entscheidung des Amtsgerichts letztlich vor dem Verfassungsgericht bestand, hob das BVerfG das Berufungsurteil des Landgerichts aus dem Jahre 1996 wegen Verletzung des Rechts am gesprochenen Wort auf und verwies die Sache an dieses Landgericht zurück.
In dem anderen Ausgangsverfahren ging es um Auseinandersetzungen über Mietforderungen einer GmbH aus einem Mietverhältnis über Geschäftsräume (ebenfalls aus dem Jahre 1995) vor einem Landgericht. Auch in diesem Falle hob das BVerfG das Berufungsurteil des Oberlandesgerichts vom Jahre 1998 aus dem gleichen verfassungsrechtlichen Grund auf und verwies die Sache an dieses Gericht zurück.
Die Beschwerdeführer in dem nunmehr verbundenen Verfahren vor dem BVerfG waren die Beklagten im ersten und zweiten Fall.
Zu den Verfassungsbeschwerden äußerten sich Zivilsenate des Bundesgerichtshofes, die jedoch in der Verwertung von Aussagen mithörender Zeugen in Zivilprozessen keine Verletzung von Grundrechten sahen; sie nahmen kein Beweisverwertungsverbot an.
Das Bundesarbeitsgericht jedoch erklärte, dass das heimliche Mithörenlassen von Telefongesprächen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern im allgemeinen wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts unzulässig sei und die auf diese Weise erlangten Beweismittel einem Beweisverwertungsverbot unterlägen. Die Justizministerien der tangierten Länder machten von der Möglichkeit einer Stellungnahme keinen Gebrauch.
Das BVerfG erkannte, dass die beiden Beschwerdeführer zwar nicht in ihrem Grundrecht auf Wahrung des Fernmeldegeheimnisses gem. Art. 10 Abs. 1 GG verletzt worden seien, aber das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Beschwerdeführer in Gestalt des Rechts am gesprochenen Wort sei von den vorgenannten Berufungsgerichten nicht in dem erforderlichen Umfang beachtet worden.
Das Grundrecht des Art. 10 Abs. 1 GG stellt ein Abwehrrecht gegen die Kenntnisnahme des Inhalts und der näheren Umstände der Telekommunikation durch den Staat und zugleich einen Auftrag an den Staat dar, Schutz auch insoweit vorzusehen, als private Dritte sich Zugriffe auf die Kommunikation verschaffen. Art. 10 Abs. 1 GG schützt indessen nicht vor der Nutzung einer vom anderen Gesprächsteilnehmer einem Dritten bereitgestellten Mithöreinrichtung.
Vorliegend hatten die Kläger der Ausgangsverfahren den später als Zeugen vernommenen Personen das Mithören durch Nutzung von Einrichtungen eingeräumt, die mit Telefonen als Endgeräte verbunden waren, deren Nutzung in ihrem ausschließlichen Einfluss - und Verantwortungsbereich - stand. Sie mögen das in sie gesetzte Vertrauen verletzt haben, den Gesprächsinhalt vor Dritten zu schützen. Der Schutzbereich des Artikels 10 Abs. 1 GG wurde dadurch aber nicht beeinträchtigt.
Besondere Bedeutung erlangt in dieser Entscheidung des BVerfG die Erörterung des Rechts am gesprochenen Wort als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Beschwerdeführer.
Das Grundgesetz schützt neben dem Recht am eigenen Bild - worüber schon öfter geschrieben wurde - auch das Recht am gesprochenen Wort. Das sei in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts generell anerkannt. Die Anerkennung eines solchen grundgesetzlich gestützten und geschützten Rechts am gesprochenen Wort gewährleistet die Selbstbestimmung über die eigene Darstellung der Person in der Kommunikation mit anderen, ist also ein Bestandteil des in der Selbstbestimmung ausgeprägten Persönlichkeitsrechts.
Geschützt wird insbesondere die Möglichkeit, sich in der Kommunikation mit anderen nach eigener Einschätzung situationsangemessen zu verhalten und sich hierbei auf den Kommunikationspartner einzustellen. Zu betonen ist hierbei die Befugnis selbst zu bestimmen, ob der Kommunikationsinhalt einzig dem Gesprächspartner, einem bestimmten Personenkreis oder schlechthin der Öffentlichkeit zugänglich sein soll. Das sein Selbstbestimmungsrecht ausübende Individuum bestimmt also die Personen, die Kenntnis vom Gesprächsinhalt erhalten sollen bzw. wählt diese aus.
Das dürfte eine sehr klare Kennzeichnung des Selbstbestimmungsrechts einer jeden Persönlichkeit in dieser Hinsicht sein. Dazu gehört in der modernen Kommunikationstechnik auch die Befugnis des Individuums, selbst zu bestimmen und zu entscheiden, ob seine Worte auf einen Tonträger aufgenommen und damit möglicherweise Dritten zugänglich gemacht werden sollen. Denn dadurch werden Wort und Stimme des betreffenden Individuums als »Kommunikationsteilnehmer« von diesem losgelöst und technisch in einer für Dritte verfügbaren Gestalt verselbstständigt.
Die Kommunikation zwischen den Menschen soll durch das Grundrecht am gesprochenen Wort auch davor geschützt werden, dass die gesprochenen Worte (auch eine vielleicht unbedachte oder unbeherrschte Äußerung) bei anderer Gelegenheit und in anderem Zusammenhang hervorgehoben werden, wodurch Inhalt, Ausdruck oder Klang der Sprache nunmehr gegen den Sprechenden zeugen. Das Grundgesetz schützt deshalb davor, dass Gespräche heimlich aufgenommen und ohne Einwilligung des Sprechenden oder gar gegen dessen erklärten Willen verwertet werden.
Dass die Rechtsordnung diesem Aspekt des Schutzes eine hohe Bedeutung bemisst, zeigt sich auch daran, das bereits die unbefugte Aufnahme des nicht öffentlich gesprochenen Wortes eines anderen auf einen Tonträger gem. § 201 Abs.1 Nr. 1 StGB (Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes) sogar mit Strafe bedroht ist. Nach Absatz 2 dieser Strafbestimmung wird auch bestraft, wer unbefugt das nicht zu seiner Kenntnis bestimmte nicht-öffentlich gesprochene Wort eines anderen mit einem Abhörgerät abhört.
Das Grundrecht des Rechts am gesprochenen Wort schützt auch vor anderen Verletzungen des Selbstbestimmungsrechts insoweit, als das Individuum selbst zu bestimmen berechtigt ist, welcher Person der Kommunikationsinhalt zugänglich sein soll. Insbesondere ist ein Schutz davor gewährleistet, dass ein Kommunikationspartner ohne Kenntnis des anderen eine dritte Person als Zuhörer in das Gespräch mit einbezieht und er die unmittelbare Kommunikationsteilhabe durch den Dritten gestattet.
Wenn sich allerdings ein Sprecher so verhält, dass seine Worte von unbestimmt vielen Menschen ohne besondere Bemühung gehört werden können, dann hat er sich - wie das BVerfG formuliert - »das Zuhören Dritter selbst zuzuschreiben. Er ist gegen deren Kommunikationsteilhabe nicht geschützt, wenn er etwa von ihm unerwünschte Hörer in seiner Nähe übersieht und er die Lautstärke seiner Äußerung falsch einschätzt. Entscheidend ist, ob der Sprecher auf Grund der Rahmenbedingungen begründetermaßen erwarten darf, nicht von Dritten gehört zu werden«. Das BVerfG betont, dass der Sprecher im privaten Bereich gerade wegen des Inhalts solcher Gespräche ein schutzwürdiges Interesse daran hat, dass Dritte hiervon keine Kenntnis erlangen. In räumlicher Hinsicht gewährt das allgemeine Persönlichkeitsrecht dem Einzelnen einen Privatbereich, in dem er sich unbemerkt durch Dritte und da...
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