Guter Böser
Heute wäre Gert Fröbe 90
Als der »Spiegel« vor Jahren mal ein wirklich spannendes Thema suchte, verfiel er logischerweise aufs ND. Der Enthüller kam also herbeigereist, und der erste Satz seines späteren Reports lautete: »Der kalte Krieger war ein sanfter Sachse.« Damit war ein Redakteur gemeint. Abgesehen von der begnadeten Unsinnigkeit des Vorwurfs: Rein journalistisch ist der Satz Spitze, und er fiel mir jetzt bei Gert Fröbe wieder ein.
Das Sächsische und das klirrend Grauenhafte, das unterwürfig Höfliche und der klare Machtdruck - eine merkwürdige, scheinbar unvereinbare Liaison (nur das Thüringische reicht da linguistisch heran, wenn man etwa an den Leichenprofessor Gunther von Hagens denkt). Im Sächsischen äußert sich eine Selbstironie, eine spielerische Aufweichung, zu der nur das Teuflische in der Lage ist, nie aber die moralische Lauterkeit in ihrem lutherisch nervenden Ernst. Die kommt meist glockenhell daher; die Stimmbänder im Gleichschritt einer Wahrheit, die man nicht sagen, sondern schmettern will.
Gert Fröbe war Sachse, aus Planitz bei Zwickau, und er spielte die Bösen, und das waren selbstredend Deutsche. Offiziere Wilhelms, Soldaten Hitlers, Heraufkömmlinge Adenauers. Fröbe mit der spröden Stimme, die sich in hohen Tönen gern überschlug und ganz unten ebenso gern knödelte. Rosig-vital das Gesicht, rötlich-kurz das Haar, knopfig und listig (und lustig!) die Augen. Heute gibt es nur einen Schauspieler, der dem ähnelt. Thomas Thieme - ein Thüringer.
1913 wurde Fröbe geboren. Stehgeiger und Maler, von Erich Ponto für die Bühne entdeckt. Vom hohlwangigen, ausgemergelten Otto Normalverbraucher in Stemmles »Berliner Ballade« 1948 (der Hunger als Impuls für überlebenstrotzige Widerspenstigkeit) bis zur jovial kaschierten Brutalität zahlreicher Dickmänner - über hundert Filme am Ende (»Das Mädchen Rosemarie«, »Via Mala«, »Die tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten«). Viel »bloße« Unterhaltung darunter. Aber alles zusammen: ein Kunststück - trotz der klotzigen Hässlichkeit seiner oft cholerischen oder verstockten Dunkelgestalten blieb Fröbe nämlich ein Beliebter. Die Kabarett-Herkunft schlug immer durch: Alles Fiese ist auch komisch, und Komik wird sogar rührend, wenn sie ins Sächsische verpackt ist. Denn dies bedeutet nicht nur: Gegensatz zum Bösen, sondern auch dessen Milderung (bloß bei Ulbricht haute es nicht ganz hin; aber vielleicht war nur der Spitzbart zu viel; Maß für Maß!)
Die bekanntesten Rollen: »Mr. Goldfinger« im Kampf gegen James Bond, im Kinderfernsehen der freundliche Räuber Hotzenplotz und vor allem sein zwanghafter, erschütternd bedrohlicher und entrückter Kindermörder im Dürrenmatt-Film »Es geschah am hellichten Tag«...
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