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  • Brandenburg
  • Bürger, denen der Verlust ihrer Bleibe droht, forderten im Rathaus Köpenick Rechtssicherheit

Wessis drohen in Hessenwinkel mit Wild-Ost

  • Dr. Claus D?mde
  • Lesedauer: 3 Min.

Wohl selten zuvor hatte Köpenicks Bezirksbürgermeisterin Monika Höppner (SPD) so viele Besucher auf einmal, wie bei ihrer Bürgersprechstunde am Dienstag. Drei Dutzend Einwohner des Ortsteils Hessenwinkel waren zum Rathaus gekommen, um Rechtssicherheit zu fordern. Denn in den früher ruhigen kleinen Straßen am äußersten Stadtrand droht ein Wild-Ost. Inszeniert von Wessis...

Immer häufiger erhalten Wohnungsmieter, Pächter und sogar ordentlich ins Grundbuch eingetragene Eigentümer von Wohn- und Erholungsgrundstücken ultimative Aufforderungen, Wohnung oder Grundstück zu räumen. Familie Büblitz.die vor 29 Jahren rioeh mit dem damaligen Eigentümer einen Pachtvertrag geschlossen hatte, sollte das zum Beispiel binnen 14 Tagen tun. Von Eigenheimbauern wurde sogar der Abriß verlangt. In einem Fall mit Fristsetzung 31. Mai

1991. Bei Nichteinhaltung drohte der „Besitzer“ an, das selbst zu veranlassen und dafür 50 000 DM in Rechnung zu stellen!

Meist kommen diese Forderungen per Schreiben von West-Anwälten, deren naßforscher Ton verdecken soll, daß deren Mandanten selbst in den - bisher wenigen -Fällen, wo ihnen als „Alteigentümer“ Grundstück oder Haus bereits rückübertragen wurde, keinerlei Recht haben, solche „privaten“ Räumungsbefehle zu erlassen. Denn laut Einigungsvertrag besteht bis Ende 1992 weitgehender Kündigungsschutz und das darin verankerte Gesetz zur Regelung offener .Vermögensfragen sieht »einen sozial verträglichen 'Ausgleich vor! Doch viele Wessis pfeifen nicht nur darauf. Sie greifen zu Drohungen aller Art an der Wohnungstür oder übern Gartenzaun, auch nächtlichem Telefonterror. Einer Familie

wurde sogar ein „Killer“ angekündigt, .falls sie nicht spurt. Kein Wunder, daß da die meisten Betroffenen Angst haben, ihren Namen in der Zeitung zu finden.

Auch über die dem Land Berlin gehörende Wohnungsbaugesellschaft sind viele in Hessenwinkel empört. So erhielten Nutzer von Wochenendgrundstücken von deren neu-alten Besitzern „Räumungsbefehle“ zu Ende Oktober mit dem Stempel der Gesellschaft darunter. Eine Familie mit vier Kindern, die das KWV-verwaltete Haus, in dem sie lebt, mit 60 000 ?Mark aus eigener Tasche erst bewohnbar gemacht hat, weil die KWV kein Geld für Reparaturen urTd Investionen hatte, soll nun deswegen höhere Miete zahlen...

Etwa 70 Prozent der rund 1 200 Einwohner Hessenwinkels sind von „offenen Vermögensfragen“ betroffen, schätzen die Initiatoren ei-

ner Willenserklärung, die am Wochenende verfaßt und am Dienstag - mit den Unterschriften von über 100 Familien - der Bürgermeisterin übergeben wurde. Sie nahm sich eine Dreiviertelstunde Zeit, die Sorgen der Hessenwinkler anzuhören. Und versprach, sie zu unterstützen. Anfang September soll eine öffentliche Einwohnerversammlung stattfinden.

Die Bürgerinitiative in Hessenwinkel erwartet, daß sich auch der Berliner Senat wie die Landesregierung Brandenburgs für eine generelle Regelung „Entschädigung vor Rückgabe“ einsetzt. Der Unterstützung vieler weiterer Berliner isJüSie^sichisicher,, denn auch in Rahnsdorf,, ... Wilhelmshagen, Schmöckwitz und anderen Stadtrandsiedlungen ist die Situation wegen der Wessi-Forderungen explosiv.

Dr. CLAUS DÜMDE

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