Gerling am Rande der Pleite

Keine Rettung für Deutschlands Nummer 4 in Sicht

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: ca. 3.0 Min.

Die Krise des Gerling-Konzerns hat einen neuen Höhepunkt erreicht. Vergangene Woche untersagte das Bundesaufsichtsamt einen Rettungsplan des Versicherers. Damit droht jetzt sogar die Pleite.

Gerling hat sich vor allem im Rückversicherungsgeschäft übernommen. Für die wachsenden globalen Risiken war der immerhin sechstgrößte Rückversicherer der Welt zu klein. Hinzu kamen Managementfehler wie die zu rasche Ausdehnung des Geschäfts in Nordamerika. Die Folge sind teure Lasten aus dem Kauf einer US-Tochtergesellschaft, aus Asbestschäden in den USA und aus dem Terroranschlag auf das World Trade Center. Ein Fehlbetrag von 585,5 Millionen Euro wurde 2001 durch eine Kapitalspritze der Deutschen Bank ausgeglichen, deren Kapitalanteil an dem Versicherer dadurch auf 34,5Prozent anwuchs. Seither ist auch Mehrheitsaktionär Rolf Gerling zum Rückzug bereit. Die Rettung schien im vergangenen Herbst nahe. Eine Kapitalgesellschaft unter Führung des früheren Frankona-Rück-Chefs Achim Kann sollte die Gerling Globale Rück (GGR) übernehmen. Damit wäre der Konzern wohl aus dem Schneider gewesen, denn das »Erstversicherungsgeschäft« mit privaten Kunden gilt als erfolgreich. So soll das Neugeschäft bei Lebensversicherungen und Riester-Renten kräftig zugelegt haben. Der Sanierungsplan droht nun am Einspruch des Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BAFin) zu scheitern. Die Bonner Finanzwächter zweifeln an der Seriosität des Übernahmeangebots. Jetzt muss Gerling das Einvernehmen mit dem BAFin suchen oder einen neuen Investor finden, der nicht in Sicht ist. Wird kein Abnehmer für diesen Konzernteil gefunden, könnte das marode Rückversicherungsgeschäft den Rest der Gesellschaft mit in die Tiefe reißen. Gerling wäre nicht die erste Versicherungspleite. In den achtziger und neunziger Jahren soll es laut Verbandsangaben fünf Problemfälle gegeben haben, die branchenintern durch Übernahmen geregelt worden seien. Gerling hat selbst Erfahrungen mit Pleiten - 1974 ging die Tochter Herstatt-Bank ein, was den Gesamtkonzern aber nicht bedrohte. Derzeit hat die gesamte Versicherungsbranche Probleme. Selbst Branchenriesen wie Allianz, Ergo oder Münchener Rück schreiben tiefrote Zahlen. Schuld sind hauptsächlich die hohen Abschreibungen auf Wertpapiere. Bis zu einem Drittel ihrer Reserven hatten Versicherungsgesellschaften in den goldenen Neunzigern in Aktien investiert. Ein Großteil dieser Reserven wurden durch die seit März 2000 andauernde längste Börsenkrise seit der Weltwirtschaftskrise aufgezehrt. Ans Eingemachte gehen auch die anhaltend niedrigen Zinssätze von Staatsanleihen. Die Folgen für die Assekuranz sind Bilanzverluste und seit vergangenem Herbst auch sinkende Überschussbeteiligungen für die Kundschaft. Trotzdem buttern vor allem kleinere Gesellschaften weiterhin aus dem Eingemachten zu, um neue Kunden mit relativ hohen Renditen zu ködern. Auf Dauer verheißt dieses gefährliche Spiel nichts Gutes. »In den kommenden zehn Jahren wird sich die Hälfte aller deutschen Versicherer vom Markt verabschieden«, befürchtet Manfred Poweleit, Chefredakteur des Fachblattes »MAP-Report«. Den meisten Firmen fehle die nötige Größe, um mit Allianz, AXA und Ergo mithalten zu können. »Diese werden das Versicherungsfeld in oligopolistischer Weise nach ihren Vorstellungen bestellen und abernten«, glaubt Poweleit. Ähnliche Sorgen hat die Gewerkschaft ver.di. Angesichts der bedrohlichen Lage und der wachsenden Sorge der Versicherungskunden um ihre Ersparnisse hat die Branche im Oktober 2002 endlich eine Auffanggesellschaft für Not leidende Versicherungsgesellschaften gegründet. Ein Jahrzehnt lang hatte man sich gegen den Vorschlag von Verbraucherverbänden und Fachleuten gesträubt, einen Sicherungsfonds wie bei den Banken aufzubauen. An der neuen Auffanggesellschaft »Protector«, an der sich alle Mitgliedunternehmen des Gesamtverbandes der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) beteiligen sollen, wird im Notfall einspringen und einen finanziell klammen Versicherer übernehmen. »Die starken Lebensversicherungen schützen die schwachen«, beruhigt der GDV besorgte Kunden. Ohnehin zieht der Verband eine befriedigende Bilanz für 2002. Die Beitragseinnahmen seiner Mitgliedsunternehmen habe um vier Prozent auf rund 140 Milliarden Euro zunehmen. Dennoch muss GDV-Präsident Dr.Bernd Michaels einräumen: »Unsere Branche hat angesichts des äußerst schwierigen Umfelds durchaus zu kämpfen.« So gebe es steigende Verluste in der Autoversicherung und eine »dramatische Zunahme« der Schadenslast in den Sachversicherungen. Zudem könnten solche Verluste nicht mehr in dem Umfang wie früher durch Erträge aus den Kapitalanlagen ausgeglichen werden. Positiv verlief dagegen das Geschäft mit privaten Krankenversicherungen und,...

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