Biblische Physik
Isaac Newton sagte Weltuntergang für 2060 voraus
Auf einer Liste der 100 einflussreichsten Personen der Geschichte, die der amerikanische Mathematiker Michael Hart vor einigen Jahren entwarf, steht er auf Platz zwei - hinter Mohammed und vor Jesus: der Begründer der klassischen Physik Isaac Newton (1642-1727), der schon zu Lebzeiten in seiner britischen Heimat wie ein Halbgott verehrt wurde. Er schuf die theoretischen Grundlagen der Mechanik, entdeckte das Gravitationsgesetz und entwickelte die Differenzial- und Integralrechnung.
Weniger bekannt ist, dass Newton sich auch intensiv mit Alchimie beschäftigt hat. Auf zahllosen Seiten orakelte er über die Verwandlung der Elemente, den Stein der Weisen und das Lebenselixier. Nicht minder faszinierte ihn die Heilige Schrift und darin insbesondere die Apokalypse. Seine eigenwilligen Interpretationen des Buches Daniel und der Offenbarung des Johannes waren indes so ketzerisch, dass sein Testamentsvollstrecker Thomas Pellet empfahl, den gesamten unveröffentlichten Nachlass geheim zu halten.
Über 200 Jahre lagerten die Papiere daraufhin im Schloss Hurstbourne Park in North Hampshire, bevor die Erben Newtons 1936 das Londoner Auktionshaus Sotheby's baten, sie meistbietend zu versteigern. Die Aufzeichnungen über Alchimie erwarb der berühmte Wirtschaftswissenschaftler John Maynard Keynes und schenkte diese anschließend dem King's College in Cambridge. Die theologischen Papiere gelangten in den Besitz des Sammlers Abraham Shalom Yahuda, der sie ohne Erfolg den Universitäten von Harvard, Yale und Princeton anbot. Schließlich hinterließ er sie dem Staat Israel, wo man sich 1969 entschloss, sie in das Archiv der Hebräischen Nationalbibliothek in Jerusalem einzugliedern.
Dort machte der kanadische Sozialwissenschaftler Stephen D. Snobelen jetzt eine spektakuläre Entdeckung. Bei seinen Recherchen für die BBC-Dokumentation »Newton: Der dunkle Häretiker« stieß er auf ein Notizblatt, worauf der Forscher die apokalyptische Vernichtung alles Bösen auf der Erde sowie die Wiederkunft Christi auf das Jahr 2060 datiert hat. »Fast 50 Jahre verbrachte Newton damit, das Ende der Welt vorherzusagen und schrieb darüber 4500 Seiten«, erklärte Malcolm Neaum, der Produzent der Dokumentation, gegenüber der britischen Zeitung »The
Daily Telegraph«: »Dennoch wusste bisher niemand, dass er eine endgültige Zahl festgehalten hat.«
Ungeachtet dessen wird unter Historikern schon länger über die Bedeutung der alchimistischen und theologischen Schriften Newtons gestritten. Nach Auffassung des US-Wissenschaftsphilosophen Richard Westfall zeigten diese nur ein »unerwartetes und bizarres, aber wissenschaftlich irrelevantes Gesicht eines großen Genies«. Dagegen betont der italienische Wissenschaftshistoriker Federico Di Trocchio, dass der Magier Newton vom Naturforscher Newton nicht zu trennen sei. Dies werde besonders deutlich in seinem wissenschaftlichen Hauptwerk »Philosophiae naturalis principia mathematica« (Mathematische Prinzipien der Naturlehre), worin er 1687 zum ersten Mal die Gesetze der Bewegung und der Gravitation begründet hat. Allein die Methode, mit deren Hilfe er dies tat, sei ursprünglich für die Deutung der Apokalypse entwickelt worden: »Die Kenntnis der Heiligen Schrift bildete das Fundament und die Voraussetzung der sicheren und vollständigen Erkenntnis der physischen Welt.«
Die enge Verflechtung von Alchimie, Theologie und Wissenschaft bei Newton mag heute kurios anmuten. Doch ohne »das Irrationale«, wie Einstein sich ausdrückte, hätten viele Forscher so manche geniale Inspiration verfehlt. Man könnte auch sagen: Um der Vernunft zum Durchbruch zu verhelfen, ...
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