Kliniken müssen umdenken

Neue Abrechnungsmodi und knappe Mittel zwingen Krankenhäuser zu Reformen

  • Britta Warda, Hamburg
  • Lesedauer: ca. 2.5 Min.

Seit Januar dieses Jahres wird an einigen bundesdeutschen Krankenhäusern das so genannte DRG-Fallpauschalensystem (»Diagnosis Related Groups«) erprobt. Zurzeit ist die Teilnahme der Kliniken an dem neuen Abrechnungssystem freiwillig, ab 2004 wird es verbindlich.

Bei dem neuen DRG-Fallpauschalensystem werden die bisher gültigen Tagessätze durch einen festgeschriebenen Gesamtbetrag ersetzt, der sich nach der individuellen Krankheit richtet. Hierfür stehen künftig 664 Kategorien zur Verfügung. Die Krankenhäuser müssen die Patienten dann mit dem zur Verfügung stehenden Pauschalbetrag wieder auf die Beine bringen. Mögliche Folgen? »Die Gefahr besteht, dass die Qualität zu Lasten des Patienten sinkt«, gab der ehemalige Hamburger Wissenschaftssenator Leonhard Hajen jetzt auf einer Podiumsdiskussion zum »Zukunftsmarkt Gesundheit« in Hamburg zu bedenken. Das neue System führe beispielsweise zu kürzeren Liegezeiten, da Kliniken künftig sparten, wenn Patienten so schnell wie möglich entlassen würden. Diese Kosten, so der Gesundheitsexperte, würden aber lediglich in den ambulanten Bereich verschoben. Kliniken und niedergelassene Ärzte müssen besser zusammenarbeiten, forderte von Hajen. »Wir brauchen Finanzierungsmodelle, die Kooperationen prämieren.« Eine weitere Schwierigkeit sehen Experten bei der Behandlung komplexer Erkrankungen. Bisher wurden zusätzliche Leiden mitversorgt. Das ist aus Kostengründen nach dem neuen Verfahren nicht mehr möglich. Die Politik müsse dringend umfassende Qualitätskontrollen einführen, so eine unter Fachleuten verbreitete Meinung. »Der Staat sollte sich wegen Inkompetenz aus der Planung des Gesundheitswesens zurückziehen«, provozierte Dr. Hans-Martin Stubbe, Leitender Herzchirurg der Cardio Clinic Hamburg. Die Überwachung der gesetzlichen Vorschriften und der Qualität seien aber andererseits nur durch den Staat und nicht durch die Krankenkassen zu leisten. Prognosen zufolge müssen in den nächsten zehn Jahren etwa 20 Prozent der deutschen Klinikbetriebe Konkurs anmelden. Die Gründe dafür sind demographischer Natur: Die Bevölkerung wird immer älter, die Finanzmittel aber immer knapper. Da steht die Frage im Raum: Welche Voraussetzungen müssen Krankenhäuser erfüllen, um trotz dieser deprimierenden Vorgaben ohne Qualitätsverlust weiter arbeiten zu können? »Nur über Kooperation, Spezialisierung und Bildung von medizinischen Kompetenzzentren ist ein Überleben auf dem immer härter werdenden Markt möglich«, meint Diplom-Kaufmann Karl-Heinz Vorwig vom Evangelischen Krankenhaus Elim. Fusionen gleichartiger Krankenhäuser seien in Zukunft unumgänglich. Für Dr. Robert Pfeiffer vom Hamburger Landesbetrieb Krankenhäuser (LBK) hat das Krankenhaus der Zukunft bereits ein konkretes Gesicht. In Hamburg wurde das Modernisierungs- und Rationalisierungsprogramm KLINOVA entwickelt. Seit Mitte 2000 wird das Konzept in den sieben Kliniken der LBK-Hamburg-Gruppe erprobt. »Wir wollen, dass auch zukünftig alle Menschen eine gute Medizin erhalten - von der Grundversorgung bis zur Spezialbehandlung. Darum konzipieren wir neue Klinikmodelle«, warb Pfeiffer für den neuen Ansatz im Gesundheitsmanagement. KLINOVA steht für die Neuorganisation im Operationsbereich, die zentrale Koordination des Aufnahme-, Behandlungs-, Verlegungs- und Entlassungsprozesses, die Einführung von »geplanten Behandlungsabläufen« für Patienten, die einen vorhersehbaren Krankheitsverlauf haben, und will eine »zentrale Notaufnahme«, die eine reibungslose Verlegung auf die jeweiligen Stationen ermöglichen soll. Zudem sollen »berufsübergreifende Behandlungsteams« etabliert werden, die während des Klinikaufenthaltes für den Patienten verantwortlich sind und als feste Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Weiter ist geplant, verschiedene Fachabteilungen zusammenzulegen. Diese »Zentrumsbildung« soll effizientes Wirtschaften durch gemeinsame Nutzung der Ressourcen ermöglichen. Solche Reformen sollen offenbar auch dem Verkauf von Kliniken zuvor kommen. LBK-Sprecher Pfeiffer warnte den Hamburger Senat jedenfalls vor dem geplanten Verkauf einzelner Krankenhäuser des Landesbetriebes. Nur ein kompletter LBK könne vernünftige...

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