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Spiel der Erwachsenen

  • Lesedauer: 3 Min.

Eine Immobilie in bester Lage: Das Haus der Jugend an der Flaniermeile Unter den Linden 36 bis 38. Das Tauziehen um diese ehemalige FDJ-Bastion wird noch lange nicht zu Ende sein. Die Aktiven: Rechtsträgerin ist seit 1947 die Jugendheim GmbH, die nach der Wende aus ihrem 42 Jahre dauernden Dornröschenschlaf aufgewacht ist. Seit einem Jahr ist sie sich ihrer Rechte wieder bewußt und verwaltet das Haus. Sehr zum Unmut mancher ihrer Mieter, die rund 30 zum Teil winzigen - Jugendorganisationen. „Wir sind doch bloß das -Alibi, damit die Jugendheim '“(jfmbH ihre Gemeinnützigkeit ün-Ter Beweis stellen kann“, sagt Andreas Pautzke, Leiter der des Stiftungsbüros Demokratische Jugend.

Denn die Jugend bewohnt nur zwei der fünf Stockwerke, den Rest haben zahlungskräftige Privatfirmen in Beschlag genommen. Als dritte im Bund steht die allgegenwärtige Treuhand, die sich in einem Rechtsstreit mit der Jugendheim GmbH befindet, wem denn nun das Haus gehört.

Ein Spiel der Erwachsenen. Und wo ist die Jugend im Haus der Jugend? Hoch oben im fünften Stock gibt es den Klub „Über den Linden“, in dem an diesem Mittag nur ein paar Mittdreißiger zu finden sind. Und doch geht es um die Interessen der Jugend: Der konservative Studentenverein Ring Christdemokratischer Studenten (RCDS) hat seine Adresse hier ebenso wie der überparteiliche „Regenbogen“.

Viele beschränken sich darauf, Geld an fördernswerte Projekte zu verteilen. Wie die bereits erwähnte

Stiftung Demokratische Jugend. Mit dem Geld, das in der DDR unter anderem von Betrieben auf das „Konto junger Sozialisten“ überwiesen wurde, unterstützt sie heute Projekte in de,r Behinderten- und Umweltarbeit. Von den 20 Millionen DM Stiftungskapital bleiben jedes Jahr 1,5 Millionen DM Zinsen, die kleineren Projekten zugute kommen soll. „Prestigeobjekte fördern wir nicht“, sagt Bürochef Andreas Pautzke.

Auch die Jugendheim GmbH macht Geld für Jugendprojekte locker. Pro Quartal stehen 40 bis 50 000 Mark zur Verfügung. Beispielsweise für ein Sommercamp, an dem Kinder aus einkommensschwachen Familien teilnehmen sollen. Die neuen freien Träger müßten allerdings wissen, wie sie an Geld herankommen könnten, erklärt Michael Diehl, Referent für Projektförderung.

So richtig vorstellen kann man sich nicht, was nun außer Geld aus diesen Büros rauskommt. Auf die Straße, in den Jugendklubs, zu den Kindern und Jugendlichen selbst. Nur ein kleiner Teil von ihnen kommt überhaupt mit organisierter Jugendarbeit in Berührung. Gerade im Osten sitzt die Abneigung gegen organisierte Jugendarbeit die ja doch ein Spiel der Großen war - tief. Der Großteil organisiert sich in Gangs oder Cliquen, die nicht den Umweg über Erwachsene machen. Und so ist das Haus der Jugend ein bißchen wie ein Elfenbeinturm, von dem aus dem Identitätsverlust der Jugendlichen nicht viel entgegengesetzt werden kann.

NATHALIE HILLMANNS

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