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Die Geschäfte des Herrn K.
Die Insolvenz des Kirch-Konzerns legt bislang verborgen gebliebene Zahlungen offen
Der Fußballklub Bayern München soll sich von Leo Kirch kaufen lassen haben. Der Vorgang um den 20-Millionen-Vertrag hat das Publikum staunen lassen und gezeigt, dass das »System Kirch« ganz ähnlich funktioniert hat wie das von Leo Kirchs Freund Helmut Kohl: Geschäfte am Rande der Legalität (wenn nicht jenseits davon), verdeckte Aktionen und ein Geflecht finanzieller und persönlicher Abhängigkeiten.
Gerüchte gab es viele, aber selten war Kirch etwas nachzuweisen. Das könnte sich ändern, seit die Insolvenzverwalter in seine Bücher schauen. Sie sind dabei auf ein Geschäft gestoßen, dessentwegen die Staatsanwaltschaft schon einmal - vergeblich - ermittelte. 1990 hatte Kirch 2500 Filme für 550 Millionen Mark an eine »Medien-Handelsgesellschaft« (MH) im schweizerischen Zug verkauft, die wiederum einer »Rocks AG« aus Liechtenstein gehörte. Dahinter steckte vermutlich ein Freund Leo Kirchs, der Metro-Eigner Otto Beisheim (Kaufhof, Mediamarkt u.a.). Im Vorstand der MH saß der Kirch-Manager Stephan Sager. Einige Monate später verkaufte die MH das Filmpaket für 1,5 Milliarden Mark an Sat.1 - und damit zurück an Kirch. Der Profit von knapp einer Milliarde Mark blieb in Liechtenstein, dem deutschen Fiskus entgingen etwa 400 Millionen. Bei Sat.1 schlugen die 1,5 Milliarden als steuermindernder Verlust zu Buche. Die Süddeutsche Zeitung hat am 1. Februar 2003 aus internen Papieren des Metro-Konzerns zitiert. Daraus kann man schließen, dass der Milliardengewinn zwischen Kirch und Beisheim aufgeteilt wurde. Im Dezember 2002 tauchte plötzlich ein Kredit an Kirch über 120 Millionen Euro auf. Er war über die Crédit Suisse abgewickelt worden, und die Insolvenzverwalter wunderten sich, dass sich die Bank mit ihrer Forderung nicht bei ihnen gemeldet hatte. Als Anfang 2003 der Kredit dann von einer Faller-Stiftung in Liechtenstein abgelöst wurde, horchten die Insolvenzverwalter auf. Der Verdacht liegt nahe, dass Kirch selbst hinter der Stiftung steht und das Geld aus dem Deal von 1990 stammt. Die Ermittlungen wurden wieder aufgenommen. Geschäfte im Verborgenen waren für Leo Kirch nichts Neues. Viele seiner erfolgreichsten Aktionen hat er ähnlich durchgezogen. Sein Monopol bei der Belieferung von ARD und ZDF mit Spielfilmen konnte er nur durch den Einsatz von Tarnfirmen halten. Kirchs Einstieg in den Springer-Konzern erfolgte ebenfalls über Strohleute: Nach und nach hatte er sich 40Prozent beschafft. Sein Aufstieg zum größten privaten Fernsehunternehmer erfolgte genauso heimlich und wurde erst im Nachhinein legalisiert. Leo Kirch hätte in dieser Form nicht handeln können, wenn ihn nicht mächtige Freunde gedeckt hätten. Bei dem Filmdeal mit Beisheim war ihm der spätere ZDF-Intendant Dieter Stolte behilflich. Kanzler Helmut Kohl hat sich etliche Male direkt und qua Amt für die Interessen Kirchs eingesetzt. Ohne die Kredite der Bayerischen Landesbank hätte Kirch die Formel1 nicht kaufen können. Dass für derlei Unterstützung Geld geflossen ist, war nie zu beweisen (nur von einer Millionenspende Kirchs an Kohl im Jahr 2001 weiß man). Vielleicht ändert sich das bald, denn die Insolvenzverwalter erhalten demnächst von der Unternehmensberatungsfirma KPMG Auskunft über die Empfänger verdeckter Zahlungen. Einen Vorgeschmack gab es kürzlich, als der Geheimvertrag mit dem Fußballverein Bayern München von 1999 bekannt wurde. Mit 20,5 Millionen Euro hat es sich der Verein von Kirch bezahlen lassen, dass er in der Frage der zentralen Vermarktung der Fußballbundesliga seinen Standpunkt wechselte. Kirch war mit seinem Verwertungskonzept auf die zentrale Vermarktung angewiesen. Bekannt geworden sind auch »Beraterverträge« mit der Firma WebTec des Jürgen Möllemann und mit dem Sportfunktionär Fedor Radmann. Möllemann hat als Aufsichtsratsvorsitzender des FC Schalke 04 rund zwei Millionen Euro von der Kirch-Gruppe erhalten. Weitere Politiker sollen mit »erheblichen Beträgen« auf der Liste stehen. Selbstverständlich hat Leo Kirch seine Freunde im Konzern selbst nicht vergessen. Seit dem Herbst 2001 dürfte ihm klar gewesen sein, dass der Zusammenbruch des Imperiums nicht mehr zu vermeiden war. Die Insolvenz kam dann im Frühjahr 2002 und kostete tausende Beschäftigte ihren Arbeitsplatz. Aber für seine treuesten Diener hatte Leo Kirch noch etliche Millionen übrig. Freund Gabor Toth bekam Anfang 2002 ein Grundstück für 1,5 Millionen Euro übertragen; drei Managern (Dieter Hahn, Klaus Piette, Alexander Liegl) wurden Darlehen von fünf Millionen Euro erlassen; Manager Georg Gafron bekam im Mai 2002 für ein Darlehen über 550000 Euro drei Jahre lang Zinsen und Tilgung gestundet; Leo Kirchs Sohn Thomas ist Anfang 2002 eine Forderung über 16,4 Millionen Euro erlassen worden. Kirchs skrupellose und abenteuerliche Geschäftspolitik war nur deshalb so lange möglich, weil er mächtige Helfer hatte und es keine Kontrolle gab. Der Kirch-Konzern war trotz seiner politischen und publizistischen Macht ein undurchschaubares Familienunternehmen ohne Offenlegungspflicht. Zusätzlich geschützt war Kirch durch den Tendenzschutz im Betriebsverfassungsgesetz, der auch den Betriebsräten jeden Einblick verbietet. Diese unkontrollierte Medienmacht ist ein mindestens so großer Skan...Zum Weiterlesen gibt es folgende Möglichkeiten:
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