Menschenrechte in Kriegszeiten
Irak überschattet Sitzung der UNO-Kommission in Genf / Vorwürfe an USA
Der drohende Irak-Krieg prägt auch die 59. Sitzung der UN-Menschenrechtskommission, die gestern in Genf ihre sechswöchigen Beratungen begann.
Schon in der vergangenen Woche hatten die Kantonsbehörden ein Demonstrationsverbot für den Platz der Nationen vor dem europäischen UNO-Sitz in Genf verfügt. Sie befürchten Ausschreitungen bei Protesten gegen einen Irak-Krieg und die Verletzung der Menschenrechte durch die USA in ihrem Anti-Terrorkampf. Auch Sergio Vieira de Mello, der neue UNO-Hochkommissar für Menschenrechte, hatte dieser Tage nach einem Urteil des USA-Berufungsgerichts Washington ungewöhnlich scharf kritisiert. Danach dürfen die in Guantanamo inhaftierten Taliban und mutmaßlichen Al-Qaida-Mitglieder nicht unter Berufung auf eine Verletzung der Verfassung oder von USA-Recht freigelassen werden. Diese Argumentation sei inakzeptabel, so der Brasilianer. Es dürfe keine juristischen »schwarzen Löcher« geben. Das US-amerikanische Recht gelte auch für die rund 650 Gefangenen auf dem Stützpunkt Guantanamo in Kuba. Sie werden zum Teil seit 14 Monaten ohne Anklage als »gesetzlose Kämpfer« festgehalten. Man könne nicht ein neues Konzept erfinden, wonach auf einmal rechtsfreie Gebiete existieren, betonte der Menschenrechtskommissar. Der UNO-Sonderberichterstatter für die Unabhängigkeit von Richtern und Anwälten, Dato Param Cumaraswamy, nannte den Entscheid des USA-Gerichts »einen gefährlichen Präzedenzfall«. Verletze doch die Inhaftierung ohne Verurteilung ein grundlegendes Prinzip des Rechtsstaates. Dass die Resolution über Menschenrechte und Anti-Terrorismus im Vorjahr in der UNO-Menschenrechtskommission zurückgezogen worden sei, habe ein verheerendes Zeichen gesetzt, klagt die Menschenrechtsorganisation Amnesty International. Amnesty fordert seit 1993 auch den Einsatz von Menschenrechtsbeobachtern in Irak. Die aktuelle Krise erhöhe die Besorgnis über die Lage. Der Schutz der Menschenrechte der irakischen Bevölkerung müsse auch höchste Priorität bei der Planung einer Militäraktion haben, erklärte Claudio Cordone, AI-Direktor für Völkerrecht. Wie Amnesty fordert die Menschenrechtsorganisation »Human Rights Watch«, im Ernstfall spezielle Beobachter in die Region zu entsenden. Gleichzeitig müsse beobachtet werden, wie Nachbarstaaten mit Flüchtlingen aus Irak umgehen. Ein Krieg würde die ohnehin katastrophale Menschenrechtssituation nach Ansicht von Amnesty weiter verschlechtern. »Bei Angriffen von außen hat es in Irak immer auch innere Aufstände gegeben. Studenten und schiitische Geistliche verschwanden oder wurden hingerichtet«, sagte die Generalsekretärin von AI-Deutschland, Barbara Lochbihler. Die Versorgung der Menschen sei seit dem Golf-Krieg 1991 schlecht. »Neue Kampfhandlungen würden die Versorgungswege für Trinkwasser und Medizin zerstören. Die UN befürchtet große Epidemien und eine halben Million Vertriebener.« Die 53 Mitgliedstaaten der UNO-Kommission sollen jetzt unter Führung der umstrittenen libyschen Vorsitzenden Najat Al-Hajjaji den Zustand der Menschenrechte weltweit prüfen. Grundlage dafür sind so genannte Länderberichte. Auch hier ist nicht auszuschließen, dass sich die Entwicklung um Irak auswirkt. So spekuliert »Human Rights Watch« darüber, dass die Bush-Administration auf die geplante China-kritische Resolution verzichtet, sollte Peking die USA-Pläne im UNO-Sicherheitsrat nicht behindern. Auf jeden Fall müsse das wichtigste Menschenrechtsgremium der Vereinten Nationen auf einen möglichen Krieg angemessen und schnell reagieren, forderte die Organisation. Westliche Diplomaten wollen in diesem Fall auch eine Sondersitzung nicht ausschließen. Wie in den Jahren zuvor wird ansonsten die EU mit 13 die meisten Resolutionen einbringen, auch eine, die die Menschenrechtsverletzungen des Regimes in Irak anprangert. Andere gelten u.a. der Lage in Burma, Sudan, Nordkorea und der israelischen Siedlungspolitik in den besetzten palästinensischen Gebieten. Über das Thema Tschetschenien wird noch mit Moskau verhandelt. Die USA wollen Resolutionen zu Belorussland, Turkmenistan und eventuell China vorlegen. Menschenrechtsaktivisten werfen dem Gremium vor, dass bestimmte Staaten immer wieder aus politischen und wirtschaftlichen Gründen verschont würden. Amnesty konstatiert seit den Anschlägen vom 11. September weltweit eine...Zum Weiterlesen gibt es folgende Möglichkeiten:
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