Köpenicker »Flussbad« geht baden

BVV-Ausschuss streicht Zuschüsse für bundesweit ausgezeichnete Jugendarbeit

  • Michael Haering
  • Lesedauer: ca. 3.0 Min.
»Im Januar ein Preis, im März n Scheiß«, bringt Djamila Linke ihren Frust auf den Punkt. Die Geschäftsführerin des freien Trägers »Cöpenicker e.V.« ist sauer auf den Bezirk, seitdem der Jugendhilfeausschuss beschlossen hat, seine finanziellen Zuschüsse in Höhe von 59000 Euro zu streichen. Noch im Januar dieses Jahres hatte das alternative Köpenicker Kulturzentrum »Krokodil«, zu dem der Jugendclub »Flussbad« gehört, als einziges Berliner Projekt den bundesweit begehrten Preis »Soziale Stadt 2002« für seine engagierte Jugend- und Kulturarbeit erhalten. Jetzt droht die Schließung des von den »Cöpenickern« betriebenen Jugendclubs und Strandbads. Denn mit der Streichung der Gelder vom Bezirk entfällt die Finanzierung der beiden sozialpädagogischen Stellen, die für Jugendarbeit und Kinderbetreuung im Flussbad unabkömmlich sind. »Ich kann ja schlecht den Koch vom Krokodil als Rettungsschwimmer an den Strand setzen«, so die Chefin mit den langen, roten Zottelhaaren. Das Kulturprojekt zwischen Gartenstraße und Dahme in Sichtweite des Köpenicker Schlosses bietet mit dem »Krokodil« nicht nur eines der schönsten Strandcafés in Berlin. Eltern können hier im Sommer am Sandstrand ihren Milchcafe´ trinken und dabei zuschauen, wie ihre Kinder unter Aufsicht auf Klettergerüst und Wasserrutsche herumturnen. Jugendliche zwischen 13 und 17 Jahren haben darüber hinaus die Möglichkeit, in Werkstatt, Spielzimmer und Computerraum ihren eigenen Jugendclub mitzugestalten. Die Geschichte des ältesten noch bestehenden Flussbades Berlins ist seit seinen Anfängen wechselhaft. Das 1897 als Badeanstalt für Männer bebaute Gelände musste vor genau 100 Jahren schon einmal geschlossen werden, weil es um fünf Meter auf das Anwesen des Nachbarn Ernst Perdess ragte. Einige Gebäude mussten abgerissen werden. Nach dem zweiten Weltkrieg brannte die mittlerweile über 90 Umkleidekabinen zählende Einrichtung vollständig ab, wurde aber in den 50er Jahren wieder aufgebaut. Nach der Wende gingen engagierte Anwohner aus dem Fischerkietz daran, das Gelände von Müll zu befreien, denn das Bad wurde mittlerweile als Müllhalde benutzt. Weil die Jugendlichen sich vor der Wiedereröffnung des Traditionsbades »auf irgendwelchen Hinterhöfen« getroffen hätten, wie Djamila Linke sagt, kamen die »Cöpenicker« auf die Idee, dem Bad neues Leben einzuhauchen. Heute kommen bis zu 60 Jugendliche regelmäßig vorbei. »Wer in der Schule nicht bis drei zählen kann, merkt hier in der Werkstatt, dass ein bisschen Mathe vielleicht doch nicht schaden kann«, so die Geschäftsführerin. Jugendliche haben aus Lehm die Ziegel für den Seminarraum über dem »Krokodil« gebrannt, in dem sie selbst kostenlosen Nachhilfeunterricht erhalten. Teenager aus der Nachbarschaft restaurieren gerade zwei alte Kanus, mit denen sie auf der Dahme paddeln wollen. Auch Betten haben sie für die angrenzende Jugendherberge selbst gebaut, die ebenfalls von den »Cöpenickern« mitgetragen wird. Durch die Herberge kommt es regelmäßig zum internationalen Jugendaustausch. Die Bekanntschaft mit einer Schülergruppe aus dem Senegal richte mehr gegen rassistisches Denken aus, als jeder noch so engagierte Schulunterricht, meint Djamila Linke. Der Verein arbeite mit Lehrern aus benachbarten Schulen zusammen. Das Jugendgericht schicke regelmäßig Problemfälle vorbei, die im Flussbad ihre Sozialstunden ableisten. Nicht zuletzt steht mit dem Ausbau der ehemaligen Wäscherei eine behindertengerechte Einrichtung kurz vor seiner Vollendung, in der bis zu zehn Jugendliche im gastronomischen Gewerbe ausgebildet werden können. Erst im letzten Jahr ordnete der Bezirk den Bau eines Rettungshäuschens im Wert von 5000 Euro an, die der Verein aus eigenen Mitteln finanzieren musste. »Die BVV hatte ursprünglich einmal beschlossen, das Flussbad nach allen Kräften zu fördern«, so Djamila Linke. Davon ist jetzt keine Rede mehr. Darum will sie der BVV am heutigen Donnerstag die Auszeichnung als »Verdiente Bürgerin von Köpenick« zurückgeben, die sie vom Bezirk Ende der 90er Jahre für die Vereinsarbeit bekommen hatte. »Die Bürde kann ich nicht mehr tragen«, so die Geschäftsführerin resigniert. Von den Kürzungen des Jugenhilfeausschusses sind auch andere Projekte im Bezirk betroffen. Darunter der Jugendclub Müggel in Müggelheim, der Kindertreff »Firl 35« in Oberschöneweide und das Begegnungszentrum »Cimbernclub« in Altglienicke. Heute ab 16 Uhr wollen die »Cöpenicker« vor der BVV im Rathaus Köpenick gegen die Kürzungen protestieren, um eine Schließung des Flussbades doch noch abzuwenden. Wenn alles nichts nützen so...

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