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Frankreich lässt die Kohle im Boden
Vorkommen und Jobs werden für Importe geopfert
Das Ende der Kohleförderung in Frankreich kommt eher als gedacht. In einem Abkommen, das das Staatsunternehmen Charbonnage de France 1994 mit einigen Gewerkschaften - außer der CGT, die die meisten Kumpel vertrat - abschloss, war die Einstellung der Kohleförderung an den letzten drei Standorten für 2005 vereinbart worden. Aber jetzt schon macht die erste Grube dicht.
Gardanne ist nur der Anfang. Die Zahl von nur noch 340 Bergleuten erlaube nicht mehr den sicheren Betrieb des 1350 Meter tiefen Schachtes und seiner weit verzweigten Galerien sowie der zahlreichen Lüftungs- und Pumpanlagen, hieß es zur Begründung der Schließung der traditionsreichen südfranzösischen Kohlegrube. Die Begründungen werden variieren, das Ergebnis aber nicht: Frankreich stellt seinen Kohleabbau ein. Eigentlicher Grund für die Schließung in Gardanne war wohl das monatliche Defizit von 64 Millionen Euro. Den älteren Kumpeln wird jetzt wird ein finanziell aufgebesserter Vorruhestand angeboten, die jüngeren will Charbonnage de France (CdF) für die Elektro- und Elektronikindustrie umschulen. Dies hat das Unternehmen schon in anderen französischen Kohlebecken getan, wo seit 1984 insgesamt 3500 Bergleute umgeschult wurden. Von denen konnten danach 80 Prozent in kleinen und mittleren Unternehmen der Elektrobranche untergebracht werden, von denen die meisten erst dank finanzieller Beihilfen von CdF gegründet oder ausgebaut wurden. Die ersten dieser Ersatzunternehmen sind allerdings auch schon wieder pleite, in Gardanne zum Beispiel die Firmen Atmel und STMicroelectronic. Die zwischen Marseille und Aix-en-Provence gelegene Kleinstadt mit ihren 18000 Einwohnern lebte früher weitgehend durch die seit 1874 betriebene Grube. »Kleinunternehmen, die mit öffentlichen Beihilfen aufgepäppelt wurden, sind keine Alternative und können den Arbeitsplatzschwund nicht wettmachen«, ist der kommunistische Bürgermeister Roger Mei überzeugt. 950 Arbeitslose gebe es im Ort, 72 Prozent der arbeitenden Bevölkerung sind in Dienstleistungsberufen tätig. »Nach dem Zweiten Weltkrieg zählten wir in Gardanne 6000 Bergleute und 1985 waren es immerhin noch 1750«. Und nach der Schließung der Grube ist auch das nahe Wärmekraftwerk praktisch schon gestorben, sorgt sich Bürgermeister Mei. »Es gehört auch CdF und bisher haben dort 240 Menschen gearbeitet, darunter 60 umgeschulte ehemalige Kumpel.« Hauptabnehmer des Stroms war die am Stadtrand von Gardanne gelegene Aluminiumhütte des Pechiney-Konzerns, wo 450 Menschen beschäftigt sind. »Die Konzernmanager haben uns versichert, dass das Werk zumindest noch ein Jahr in Betrieb bleibt. Darüber hinaus wollen sie sich nicht festlegen.« Als besonders empörend empfindet es der Bürgermeister, dass gleichzeitig im nahen Fos-sur-Mer der Suez-Gruppe die Genehmigung für den Bau eines Wärmekraftwerkes erteilt wurde, in dem künftig Industrieabfälle verheizt werden sollen. Mit seinen Kohle- und Erzgruben, die die vor allem in Lothringen konzentrierten Stahlhütten versorgt haben, ist Frankreich im 19.Jahrhundert neben England und Deutschland eine der führenden Industrienationen geworden. Doch in den letzten Jahrzehnten wurden moderne Stahlwerke unweit der Häfen gebaut, um billig importierte Kohle und Erze verarbeiten zu können. Das war der Anfang vom Ende des Kohlenabbaus in Frankreich, der in den 50er Jahren seinen Höhepunkt erreichte. Damals förderten 200000 Bergleute rund 60 Millionen Tonnen - 1970 waren es noch 40 Millionen, 1982 noch 20 und 1993 zehn Millionen Tonnen Kohle. Zuletzt hat eine in Gardanne geschürfte Tonne Kohle 226 Euro gekostet, während im nahen Hafen Fos-sur-Mer importierte Kohle aus Südafrika oder Australien entladen wird, die trotz des weiten Seetransports pro Tonne nur 39 Euro kostet. »Es wurde zu wenig in neue Techniken investiert, mit denen Frankreichs Kohle hätte konkurrenzfähig bleiben können«, meint Michel Filippi von der CGT-Bergarbeitergewerkschaft. 1999 hat der sozialistische Wirtschaftsminister Dominique Strauss-Kahn fest zugesagt, in Gardanne ein Pilotprojekt für die unterirdische Kohlevergasung zu starten. »Passiert ist jedoch nichts. Statt dessen lässt man jetzt die Gruben absaufen und die Kumpel werden geopfert und mit ihnen ein unwiederbringlicher Schatz an Berufserfahrung«, kritisiert der Gewerkschafter. Im vergangenen Jahr wurden in den letzten drei Schächten von CdF - Gardanne in der Provence sowie Merlebach und La Houve in Lothringen - zusammen noch 1,63 Millionen Tonnen Kohle gefördert. Doch auch im Norden will die hochverschuldete CdF das vereinbarte Schließungsdatum 2005 nicht abwarten: Merlebach wird im Sommer dieses Jahr...Zum Weiterlesen gibt es folgende Möglichkeiten:
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