Posthistorisches Disneyland

Der Preußische Landadel ist wieder da

  • Gisela Sonnenburg
  • Lesedauer: ca. 3.0 Min.
Endlich! Sie sind wieder da, die Freifrauen und Grafen, die Damen und Herren mit dem etwas angestaubten »von« und »zu« im Namen: Sie fanden den Weg aus der jahrzehntelangen Verbannung zurück in die nunmehr vom Sozialismus befreiten heimatlichen Gefilde, nach Preußen. Und als hätten wir nur auf sie gewartet, damit sie unser Land bestellen und unsere Sehenswürdigkeiten polieren, kümmern sie sich geradezu rührend um uns. Allen voran Frau Beatrix Gräfin zu Lynar, 1944 als Freiin Droste zu Vischering Padtberg geboren. Gelernte Erzieherin, wie Lady Di, heiratete sie mehr als nur standesgemäß, wie Lady Di, und zwar nicht nur konsequent nach oben, sondern zugleich auch in die Kreise der Wirtschaftsdynastie des Chemieriesen Hoechst - besser als Lady Di! Und während Lady Di im Jenseits weilt, ist Frau Beatrix jetzt bei uns: Nach den Umwegen der - von der DDR erzwungenen - Luxus-Exil- Aufenthalte in Afrika und Portugal, wo der Grafengatte Gewinn bringende Geschäfte führte und zwischendurch drei Stammhalter sowie eine weibliche Nachfahrin zeugte, kehrte die blau- und wohl auch ein wenig schwerblütige Familie in Brandenburg ein. »Schweren Herzens« allerdings ob der bedrückend vielen Aufgaben, die sie erwarteten: Der sozialistisch ruinierte Familienbesitz in Lübbenau wollte wieder auf Adelsniveau gebracht werden. Das Schloss, keine Kleinigkeit, war zwar bereits ein Hotel, als die Gräflichen 1991 anreisten, aber einige marktgerechte Investitionen sollten sich durchaus noch lohnen. Mit einem glücklichen Händchen für »Einrichtung und Dekoration« gesegnet, kreierte die Gräfin mit der liebevollen Unterstützung der Finanzkraft des Gatten ein feines Domizil für gut betuchte Reisende - und verkauft nebenbei keine Scherz-, aber »klassische Artikel« aus Portugal und England. O nobler Kolonialgeist! Und auch für eine sinnvolle Beschäftigung der Kinder sorgst du: Sohn Frederico übernahm als Ältester das Landgut, welches den Lynars zwar erst 1996 überschrieben wurde, womit sie aber, welch Happy End, endgültig weit übers Lebensende hinaus ausgesorgt haben dürften. Auch andere eingeschlechtliche Wesen von Geschlecht helfen uns, ihre hehren Pfründe zu mehren. Da betreibt der Herr Gebhard von Hardenberg im »Märkisch Oderland« Landwirtschaft und engagiert sich tatkräftig in der Denkmalpflege. Da aktiviert der Herr Hans-Georg von der Marwitz den Kunstspeicher Friedersdorf. Da erinnerte sich Herr Friedrich-Christoph von Saldern an seine Plattenburg, die einst die Havelberger Bischöfe besiedelten, bevor sie wieder geadelt wurde. Und da ist der Unternehmer Herr Julian Graf zu Solms-Baruth, in erster Linie in der Wirtschaftsförderung zugange und schon in zweiter »für künstlerische Initiativen« zu haben. Derweil sorgt sich auch jemand ums Kirchlich-Kulturelle in der Uckermark: Frau Barbara von Oppen, noch schöner geboren als eine von Arnim-Kröchlendorff. Nicht zu vergessen sind die Herren Albrecht von Wilamonowitz-Moellendorf und Karl Wilhelm Graf Finck von Finckenstein, die schon allein für die Last ihrer komplizierten Namen entschädigt werden sollten. Und was würden wir nur ohne den »Förderverein Schlossmuseum Wolfshagen« machen, den vor sechs Jahren der Rückkehrer Herr Bernhard von Barsewisch gründete. Als Sprössling der weiblichen Linie derer des Stammes Gans Edle Herrinnen und Herren zu Putlitz aus Groß Pankow sammelt der Augenarzt, der sich in den 90ern im Gut seiner Ahnen eine lukrative Augen-Tagesklinik einrichtete, Gelder im ideellen Auftrag der Adelskultur. Sind eines Tages genügend Spenden »eingeworben«, gibt es ein komplett saniertes Museum mit historischem Anstrich, gefördert vom Amt für Flurneuordnung und ländliche Entwicklung. Was wollen wir mehr: Hotels, Museen, klerikale Kultur, alles erblühend in der Regie nicht gerade ärmlicher Familien im Zeichen wortwörtlicher Noblesse. Das ist doch genau das, was das verarmte bundesrepublikanische Preußen mit seiner hohen Arbeitslosigkeit und seinen vielen Rechtsextremen braucht, um ein posthistorisches Disneyland zu werden. Finden Sie nicht? Einschlägige Experten für Adelstourismus - wie die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, die Tourismus-Marketing Brandenburg GmbH und der Museumspädagogische Dienst Berlin (»Preußen 2001«) - freuen sich mit dem preußischen Landadel, übernehmen für ihn die Public Relations und reiben sich die Hände:...

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