Gute und schlechte Zeiten

Geldinstitute klagen auf hohem Niveau / Deutsche Bank erneut mit Verlust

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.
Kurz vor dem Start der Hauptversammlungssaison des Geldgewerbes im Mai häufen sich die schlechten Nachrichten vor allem aus den Großbanken. Andere Institute zeigen jedoch, wie man immer noch genug Geld verdienen kann: Durch Konzentration auf die Normalkunden, von denen in Zeiten des Börsenbooms niemand mehr was wissen wollte.

Das gab es noch nie bei der Deutschen Bank. Am Donnerstag musste das Geldinstitut in einer Ad-hoc-Meldung den dritten Quartalsverlust in Folge verkünden. Nach Steuern erwartet die bundesdeutsche Nummer eins Januar bis März ein Minus von etwa 200 Millionen Euro. Noch schlechter schnitten im vergangenen Jahr Hypo-Vereinsbank und Commerzbank ab, die für 2002 erstmals in ihrer Firmengeschichte gar einen Jahresverlust melden mussten. Angeschlagen ist auch die Dresdner Bank, die mit ihren Milliardenverlusten die Konzernmutter Allianz in arge Bedrängnis bringt. Dabei werden die nackten Zahlen, die auf den Hauptversammlungen den Aktionären präsentiert werden, noch freundlicher erscheinen, als sie tatsächlich sind. Denn hinter den moderaten Verlusten steht oft der Verkauf von Tafelsilber, von Industriebeteiligungen und dicken Aktienpaketen. Die Hypo-Vereinsbank will bis Juni zudem noch 25 Prozent der Bank Austria, mit der sie in Osteuropa eine Hauptrolle spielt, an die Wiener Börse bringen und damit Kasse machen.
Der Krisentaumel trifft vor allem die Großen und ist zu guten Teilen hausgemacht. Seit 1960 hat sich die Waage der globalen Ökonomie immer mehr zugunsten der Finanzdienstleister gesenkt. Diese fetten Jahre haben die deutschen Banken reich gemacht. Bis heute - was freilich nur noch Experten in den Untiefen der Bilanzen zu erkennen vermögen. Mitte der neunziger Jahre gelang es den Banken dann auch hier zu Lande, die erträumte Kapitalmarktorientierung nach amerikanischem Muster durchzusetzen: Börse statt Kredite. Die früheren »Kredit«-Institute machten aus dem Boom eine typische Überproduktionskrise, fast alle wollten nur noch ins Investmentbanking investieren.
Seit aber die Aktienkurse im März 2000 zu taumeln anfingen und die provisionsträchtigen Umsätze mit Wertpapieren sinken, sind die Investmentabteilungen der Banken zu üppig, und das eigene Kapital ist falsch angelegt. Dazu kamen eine schwächelnde Konjunktur, zusammenbrechende Firmenkredite und weitere Managementfehler. Angetrieben von völlig überzogenen Profitzielen, die sich an den gänzlich anderen Märkten in Großbritannien und USA orientieren - unter 15 Prozent pro Jahr Eigenkapitalrendite wollte es niemand mehr machen -, wurden Milliarden in Internet-Geschäften verpulvert. Zudem ließ man üppige Zentren für reiche Privatkunden und teure Handelshallen für Broker bauen, die heute fast leer stehen. Ignoriert wurde auch die aufstrebende Konkurrenz der »unabhängigen« Finanzdienstleister, wie MLP oder DVAG.
Die Zeche werden die Beschäftigten zahlen. Über 40 000 Arbeitsplätze wollen alleine die vier Großbanken vernichten. Zudem »werden wir in fünf bis zehn Jahren die Hälfte weniger Filialen in Deutschland haben«, verriet Rolf E. Breuer auf einer Sitzung des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB). Zum Strategie-Mix der Geldgiganten gehört auch die Übernahme von Sparkassen ab dem Jahr 2005, wenn deren staatliche Garantien entfallen. Fusionen und Filialsterben sollen die modernen Banken in Industriebetriebe verwandeln, die so genannte Skaleneffekte nutzen können, raten Bankenverband und der von der Geldwirtschaft befragte Stahlindustrielle Ulrich Middelmann von Thyssen-Krupp.
Es geht auch anders. Es gibt auch jetzt noch erfolgreiche Geldinstitute - sie verdienen im von den Großbanken vernachlässigten Retail-Banking mit »kleinen« Sparern und mit Krediten an Mittelständler ein gutes Geld. Die Postbank legte für 2002 ihr bislang bestes Ergebnis vor. »Sparen hat Konjunktur«, heißt es dort. Mit immer neuen Produkten hat die Postbank 200 000 neue Kunden gewonnen. Grund zum Jubeln hat auch die Direktbank Diba des niederländischen Finanzkonzerns ING, die sich nicht wie andere nur auf das Internet verlassen hat und ihr Personal von 600 auf 900 aufstockt. Innovativ zeigten sich auch einige Sparkassen.
Wie man warme Nischen findet, demonstrierte schließlich eines der kleinsten Institute in Deutschland. Die 50 Mitarbeiter starke Volksbank Eisenberg gründete die neue Ethik-Bank, die ökologisch und sozial ausgerichtete Finanzprodukte anbietet. Aber auch Großbanken können weiterhin erfolgreich sein, wie die Citibank zeigt. Hier zu Lande konzentriert sich das weltgrößte Geldinstitut auf private Kunden. »Wir bieten den Service einer Filialbank und Preise einer Direktbank«, erklärt Vorstandsvorsitzende Christine Licci den Erfolg. Auch sie kann neue Leute einstellen. Dass diese expansive Erfolgsstrategie manchmal mit dem leichtfertigen Verkauf eines Kredits und mit Sparen in der Belegschaft verbunden ist, steht indessen auf einem anderen Blatt.
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