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Wo der Adel auch tanzen lernte
Versailles: Die Ställe des Sonnenkönigs als neue Touristen-Attraktion
Man glaubt sich um Jahrhunderte zurückversetzt: Riesige venezianische Kronleuchter, mehr als zehn Meter hohe Wandspiegel und Pferdefresken im Stil großer Renaissancetheater zieren die Manege, in der sich rassige Reitpferde im Rhythmus leiser Barockmusik bewegen - so wie zu Zeiten des Sonnenkönigs Ludwig XIV. Seit Ende Februar können die königlichen Stallungen wieder besichtigt werden, in denen einst mehr als 600 Pferde standen und in denen die hohe Schule der Reitkunst vorgeführt wurde. »Neue Akademie der Reitkunst« heißt diese neue Touristenattraktion neben dem Schloss von Versailles. Sie ist die erste ihrer Art in Frankreich.
»Im 17. Jahrhundert wurden hier junge Adlige ausgebildet. Sie lernten nicht nur reiten, sondern auch tanzen und fechten. Die Schüler, die heute hier ausgebildet werden, teilen ihre Zeit zwischen Dressurreiten vor Zuschauern am Vormittag und Gesang und Zeichnen am Nachmittag. Und sonntags gibt es eine Vorstellung zu Pferd, bei der ebenfalls zugeschaut werden darf«, erklärt der Direktor dieser neuen Reitakademie und fast schon legendäre Pferdemeister Bartabas.
Die Dressur-Übungen und Vorführungen tauchen den Besucher in die Pferdewelt des 18. Jahrhunderts ein. Alles glänzt und leuchtet: die edlen Sättel des luxuriösen Modehauses Hermès, die reich bestickten Boleros des holländischen Stardesigners Dries van Noten und die prächtig herausgeputzen Pferde. Vor dem Hintergrund klassischer Musik und zur dunklen Stimme Bartabas aus den Lautsprechern zeigen die Schüler ihr Können hoch zu Ross. Die 14 Kunstreiter sitzen stolz im Sattel, denn sie wurden unter 150 Kandidaten auserwählt. Bartabas persönlich bereitet sie auf ein Leben als große Reitmeister und -akrobaten vor.
Bartabas, der Gründer des Pferdetheaters Zingaro, hat sich mit der Akademie einen langjährigen Traum erfüllt. »Hier kann ich den Fortbestand meiner Truppe und meiner Kunst sichern«, sagt der Meister, dessen Wesenselement die Harmonie zwischen Mensch und Pferd ist. Mit seinen spektakulären Reitaufführungen wie »Tryptichon« und »Eclipse«, die mit indischem oder koreanischem Gesang unterlegt sind, hat er das Publikum in Europa und Amerika bezaubert. Seinem Theater gab er bei der Gründung 1984 den Namen seines Lieblingspferdes Zingaro. Der Meister, »der mit den Pferden spricht« entwickelt Choreografien und bietet Reitakrobatik. Unvergessen sind seine tänzerisch-schwerelosen Dressurvorführungen der hohen Schule mit dem inzwischen verstorbenen bildschönen Rappen Zingaro.
Für Bartabas ist die Akademie »ein Labor«. Dem Publikum will er unter anderem zeigen, »wie reich die Beziehung zwischen Mensch und Pferd ist«. Er will dort keine Spektakel aufführen, sondern der Tradition der königlichen Reitakademie treu bleiben, die einst unter dem pferdebegeisterten Ludwig XIV. die besten Reiter Frankreichs ausbildete und die Dressurkunst zur Höchstform entwickelt hat. »Die Dressur ist nichts anderes als die Poesie der Reitkunst und die Liebe zum Pferd«, sagt Bartabas.
Vorher waren in den Stallungen Archive und Militärverwaltung untergebracht. Der Staat hat 2,2 Millionen Euro für die Neugestaltung der königlichen Reithalle (17 mal 50 Meter) durch Patrick Bouchain ausgegeben, der daraus eine Art italienisches Theater mit zahlreichen Lüstern und Spiegeln gemacht hat, in dem die Besucher von Holzlogen aus den Vorführungen beiwohnen.
Finanzieren soll sich die Akademie, in der 29 Pferde stehen, mit Eintrittsgeldern und mit Sponsorengeldern aus der Privatwirtschaft, denn immerhin besuchen pro Jahr ...
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