Von Affäre bis Zytomegalie

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Sicher wissen Sie, wer Sigmund Freud war, können sich etwas unter der Liebe auf den ersten Blick vorstellen, oder ahnen so manches von der Bedeutung der Pubertät. Aber ganz ehrlich, können Sie etwas mit Friktionismus anfangen? Sind ihnen schon einmal Inhibiting-Faktoren begegnet? Kennen Sie sich aus in der sexuellen Latenzphase und was sagt Ihnen der Begriff Intersexualität? Vielleicht ist ja gerade die Intersexualität als Sammelbezeichnung für Störungen der vorgeburtlichen sexuellen Differenzierung mit der Ausprägung äußerer Geschlechtsorgane, die dem chromosomalen Geschlecht widersprechen, nicht so interessant für Jedermann. Aber einige intime Fragen, die der Beantwortung harren, haben wohl die meisten Menschen. Die können sie sich sehr vertraulich, vollkommen anonym und garantiert unterhaltsam beantworten lassen. Was Sie schon immer über Sexualität wissen wollten, gibt es jetzt komprimiert in Lexikonform: Das Pschyrembel Wörterbuch zur Sexualität. Darin finden sich die für das Verständnis der Sexualfunktionen wichtigen Begriffe aus Medizin, Andrologie, Urologie und Gynäkologie ebenso wie diejenigen Stichworte, die eher die soziokulturellen und psychischen Aspekte des Geschlechterverhältnisses betreffen. Die Begriffserklärungen sind leicht verständlich - teilweise unter Verwendung von Fachtermini, aber niemals so speziell, dass der interessierte Laie ihnen nicht mehr folgen könnte. So ist das Buch sowohl für diesen als auch für den Wissenschaftler interessant. Das Werk geht bei seinen über 6000 Stichwörtern in jedem Fall in die Tiefe und ist mit interessanten Querverweisen versehen. Obwohl es sehr sachlich bleibt und sich streng wissenschaftlich gibt, ist es eine Fundgrube für überraschende, unerwartete Stichworte wie »Pantoffelheld« und »Oben-ohne-Mode«. Hin und wieder fragt man sich allerdings bei Stichworten wie Wochenbettgymnastik, Make-up oder Mutterpass doch, wo der Sexualitätsbezug bleibt. Die wissenschaftlichen Erläuterungen von Begriffen wie Pärchen oder Gelegenheitshomosexualität wirken jedoch wie wilder Definitionseifer und sind zum Teil in erheblichem Maße streitbar. Ein weiteres wichtiges Detail des Wörterbuchs sind die zahlreichen, meist farbigen Abbildungen - im Schnitt eine pro Seite - auf denen Embryonalentwicklung, Fetische oder Verhütungsmittel zu sehen sind. Das Buch ist ein wichtiger Beitrag zum gesellschaftlichen Diskurs, denn auch im 21. Jahrhundert besteht ein großer Aufklärungsbedarf in der Bevölkerung. Insgesamt ist das Pschyrembel Wörterbuch Sexualität ein gutes Beispiel dafür, dass ein wissenschaftliches Kompendium nicht nur im Bücherregal des Experten richtig steht, sondern auch für »Otto Normalverbraucher« eine unterhaltsame Lektüre sein kann. Maxie Ottow
Stephan Dressler und Christoph Zink: Pschyremebel Wörterbuch Sexualität, Walter de Gruyter Verlag Berlin/New York, geb., 617 Seiten, 263 Abb., 55 Tabellen
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