Die Lebenserwartung der »Atemlosen« steigt

Der Nationale Mukoviszidose-Tag am 22. Mai steht unter dem Motto: »Menschen mit Mukoviszidose brauchen Freunde«/Von Jens Kuhr

In Deutschland leiden etwa 8000Menschen an der Stoffwechselkrankheit Mukoviszidose. Bei den Patienten ist der Salz- und Wassertransport in den Körperzellen gestört. Das führt dazu, dass ein zäher Schleim lebenswichtige Organe verstopft. Betroffen sind besonders die Lunge, die Bauchspeicheldrüse, Leber und Darm. Obwohl lediglich die Symptome behandelt werden können, sind Lebenserwartung und -qualität der Patienten gestiegen.
Vor 20 Jahren bedeutete die Diagnose Mukoviszidose für einen Säugling, dass seine Chancen, den 17. Geburtstag zu erleben, 1 zu 100 standen. Inzwischen erreicht einer Statistik des Mukoviszidose-Vereins aus Bonn zufolge fast die Hälfte dieser Kinder das Erwachsenenalter, ein Neugeborenes mit Mukoviszidose hat heute die Chance, 50 Jahre und älter zu werden. Auch die Lebensqualität der Kranken hat sich deutlich verbessert, wie aus mehreren Studien von Medizinern der Universitäten Ulm und München hervorgeht. »Doch«, warnt Ernst Rietschel, Oberarzt in der Mukoviszidoseambulanz im Universitätsklinikum Köln, »auch heute müssen die Betroffenen mit zunehmendem Alter damit rechnen, dass sich ihr Gesundheitszustand verschlechtert, und auch heute können wir Mukoviszidose nicht heilen«.
Ursache der Krankheit ist ein Gen-Defekt am Chromosom Sieben. In Deutschland ist etwa jeder zwanzigste Mensch - meist ohne es zu wissen - ein so genannter gesunder Merkmalsträger: Bei ihm ist dieses Gen zwar defekt, er ist aber nicht an Mukoviszidose erkrankt. Bekommen zwei dieser Merkmalsträger ein Kind, dann liegt dessen Risiko, an Mukoviszidose zu erkranken, bei 25Prozent.
Der Gen-Defekt, von dem fast 1000Varianten mit unterschiedlichen Krankheitsbildern bekannt sind, verursacht den zähen Schleim, der die lebenswichtige Organ verstopft. »Die Verdauungsfermente aus der Bauchspeicheldrüse und der Leber können nicht mehr ausreichend in den Darm zur Verdauung abgegeben werden«, erklärt Rietschel und das verursache die für »Cystic Fibrosis« (CF) - wie die Krankheit auch genannt wird - typischen Gedeihstörungen: Kinder mit Mukoviszidose haben oft Untergewicht. Für die Lungen der Patienten sind die Folgen meist noch gravierender: Die Erkrankten leiden an chronischem Husten ohne offensichtlichen Anlass und da das zähe Sekret nur schlecht abgehustet werden kann, bietet es Bakterien einen idealen Nährboden. Deswegen kommt es häufig zu Lungenentzündungen, die das Lungengewebe großflächig zerstören und dann zum Tod der Betroffenen führen können.
Den größten Behandlungsfortschritt der vergangenen Jahre sieht Rietschel darin, dass die Patienten heute von Teams behandelt werden: »Da sitzen Kinderärzte, Krankengymnasten, Psychologen, Ernährungsberater und psychosoziale Mitarbeiter zusammen und überlegen miteinander, was für den einzelnen Patienten am besten ist.« Die Therapie schließt meist aufeinander abgestimmte Maßnahmen ein. Das reicht von der Inhalation sekretverflüssigender Substanzen über physiotherapeutische Maßnahmen, die den Patienten helfen, den zähflüssigen Schleim abzuhusten bis hin zur Infektprävention sowie einer fettreichen Ernährung. Unverzichtbar, so der Oberarzt, seien zudem Antibiotika, mit denen die für viele CF-Patienten lebensbedrohliche bakterielle Besiedlung der Atemwege therapiert wird.
Um die Auswirkungen der Behandlungsmaßnahmen besser überprüfen zu können, entwickelten Wissenschaftler der Universität Ulm ein Verfahren, bei dem der Rehabilitationsbedarf durch computergestützt durchführbare Befragungen schneller als bisher erkannt werden kann. Berücksichtigt werden das körperliche und seelische Befinden sowie die soziale Integration. Die Ergebnisse dieser Befragungen können sofort in die Therapie der behandelnden Ärzte einbezogen werden, um den Zustand der Patienten zu verbessern.
Die psychosoziale Versorgung von CF-Patienten und ihren Angehörigen hält Rietschel für besonders wichtig. »Niemand ist alleine krank«, sagt er und meint die Belastungen, die nach der Diagnose auf Patienten und Angehörige zukommen. So würden die Eltern kranker Kinder oftmals mit einer überfürsorglichen Behandlung auf den Befund reagieren. Damit verbunden seien familiäre Konflikte wie die Vernachlässigung von Geschwistern oder Partnerprobleme. Auch dürfe man die Belastungen nicht vergessen, die durch die täglichen Therapiemaßnahmen entstünden. All dies brauche Begleitung.
Neben psychologischen Hilfen sind dem Mediziner zufolge praktische Ratschläge, beispielsweise zu Pflegegeldansprüchen, wichtig. Nur so ließe sich die für eine möglichst hohe Lebensqualität nötige berufliche und soziale Integration der Patienten erreichen.
Um die Krankheit möglichst früh zu diagnostizieren, wird derzeit unter Experten diskutiert, das Blut von Säuglingen im Rahmen einer Standarduntersuchung am fünften Lebenstag auf Mukoviszidose zu testen. Das wäre jedoch nur sinnvoll, wenn damit Kosten bei der späteren Behandlung eingespart würden. Bisher ist allerdings nicht klar, ob die Krankheit effektiver behandelt werden kann, wenn man sie so früh feststellt.

Mukoviszidose e.V. Bendenweg 101, 53121 Bonn, Telefon: (0228)98780-0, Internet:
www.mukoviszidose-ev.de,
Landesverband Berlin-Brandenburg e.V. Gotlindestraße 2-20, Haus E, 10365 Berlin, Tel./Fax. (030)55185416,
Muko.LV.Berlin.Brandenbur...

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