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Kurzschluß und Notbeleuchtung

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ELMAR ALTVATER

Der Verkauf des Industrieunternehmens NARVA an einen Grundstücksmakler zur Verwertung der Fläche ist ein symptomatischer Fall: nicht industrie- und regionalpolitische Erwägungen orientieren die Treuhand, sondern fiskalisches Kalkül. Die jüngst publizierte Schätzung des Bundesverbandes der deutschen Industrie muß zur Kurzschlußaktion der Treuhand beigetragen haben: Bis 1993 soll die Treuhand 100 Milliarden DM und im Jahre 1995 sogar bis zu 250 Milliarden DM Schulden aufhäufen. Düstere Aussichten; doch auch wenn NARVA nicht mehr leuchtet, so klingelt doch wenigstens die Kasse.

Ostdeutschland wird deindustrialisiert. Die Zahl der Betriebe im verarbeitenden Gewerbe (mit mehr als 20 Beschäftigten) ist 1991 von Monat zu Monat gesunken, auf unter 7 000 Ende 1991. Es gibt nur noch 1,3 Millionen gewerbliche Arbeitsplätze, die Umsätze machen weniger als 60 Prozent des Standes von Anfang 1990 aus. Das reale Bruttosozialprodukt in den neuen Bundesländern erreicht gerade 58,3 Prozent des Standes von Anfang 1990. Alarmierender noch sind die Zukunftsprognosen. Der Weltmarkt befindet sich in einer Flaute, von Japan bis Frankreich sinken die Wachstumsraten, die Kapazitätsauslastung und die Auftragseingänge. Die Unternehmen reagieren darauf sensibel, vorsichtig wie ein scheues Reh. Bis 1995 planen westdeutsche und ausländische Unternehmen in den neuen Bundesländern Investitionen in der Größenordnung von lediglich 113 Milliarden DM; das sind pro Jahr weniger als 30 Milliarden DM. Allein 1990 wurden in Westdeutschland von den privaten Unternehmen 190 Milliarden Mark netto investiert, also mehr als sechsmal soviel wie in Ostdeutschland. Der Abstand zwischen West und Ost wird nicht kleiner, sondern größer, wenn die wachstumswirksamen Investitionen so ungleich geplant werden.

Man kann sich also nicht auf die Kräfte des freien Marktes und der innovativen Unternehmer verlassen. Ohne staatliche Interventionen wird der Abwärtspfad der ostdeutschen Wirtschaft nicht zu verlassen sein. Die Bundesregierung hat reagiert, denn die Finanztransfers sind gewaltig. Die Verschuldung der öffentlichen Haushalte (einschließlich der Schattenhaushalte wie „Fonds Deutsche Einheit“ oder „Der Kreditabwicklungsfonds“ usw.) ist von Ende 1989 bis Ende 1991 um fast 330 Milliarden DM auf 1 265 Milliarden DM angestiegen. Der Schuldenstand wird bis Ende 1993 auf 1 700 Milliarden DM anwachsen und mit den Schulden

Der Autor ist Professor für Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin

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