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  • Brandenburg
  • Hektische berlin-brandenburgische Fusionsvision ist in Mühen der Ebene gelandet, dafür jedoch:

Zweckverband Pankow-Bernau schon denkbar

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Die von Stolpe und Diepgen noch unlängst so hektisch strapazierte berlin-brandenburgische Fusionsvision ist längst in den Mühen realistischer Ebene gelandet. Möglicherweise rechnen sich beide an, damit „politisch etwas in Gang gebracht“ zu haben. Zwischen ihren Unterhändlern hatte der klotzighemdsärmlige Populismus: „Wir sind alles Märker!“ eher dazu geführt, daß beiderseits die Interessen-Schotten noch dichter wurden. So fest, daß einerseits die einvernehmliche Regelung eines „grenzüberschreitenden“ Kita-Besuchs für rund 200 Kinder schon sensationell anmutete. Andererseits bei tatsächlich zum Himmel stinkenden Problemen, wie der Abfallentsorgung, bis heute ein Konsens aussteht.

Deshalb gestern geradezu wohltuend, von Diepgen und Stolpes Staatskanzlei-Chef, Dr. Linde, (der Ministerpräsident selbst sei ganz plötzlich „in Bundesangelegenheiten“ nach Bonn gerufen, ergab die Nachfrage) zu hören, daß ein bilaterales „Hausmüll-Entsorgungskonzept“ fast perfekt ist. Ja, daß es demnächst sogar gute Aussichten gäbe, die Deponien Schöneiche,

Vorketzih und Peetz „aus der Treuhand rauszubekommen“ und gemeinsam zu bewirtschaften. (Wobei nach wie vor offen bleibt, ob der Bund die Altlasten trägt.)

Solch bodenständige Dinge vernahmen die gestern im Köpenicker Rathaus zusammengekommenen Bürgermeister und Landräte der Region mit hoffnungsvoller Genugtuung. Beispielsweise auch Diepgens Aussage, daß nach neuerlicher Prüfung „auch der bestehenden Rechtslage nach“ Berliner Bezirke mit ihren Brandenburger Nachbarkreisen eigenständig Zweckverbände besiegeln könnten.

Bisher war das nämlich ein enormes, hemmendes Politikum: Der Berliner Senat pochte darauf, daß nur er als Verhandlungspartner in Frage käme. Potsdam wiederum witterte Gefahr, daß sich Berlin so expansionistisch lediglich mit dem Umland vereinen wolle. („Ohne, daß die Potenzen der Stadt auf entfernte Brandenburger Regionen ausstrahlen können.“ - Staatssekretär Linde). Man darf allerdings gespannt sein, wann der erste derartige Zweckverband (etwa für Kita- oder Schulbesuch, Verkehr oder auch Abwasser) die Mühlen der In-

stanzen tatsächlich durchlaufen hat. Berlin habe nämlich, so Diepgen wiederum auf mehrmalige Nachfrage, auch klargestellt, daß es bereit sei, sich nur „von Fall zu Fall“ in Zweckverbänden durch Bezirke vertreten zu lassen

In diesem Zusammenhang räumte der Regierende Bürgermeister ein, daß man selbst nicht um eine „Stärkung der Bezirke“ herumkäme. Schritt für Schritt solle dies -„natürlich ohne die .Einheitsgemeinde' aufzugeben“ - geschehen, sagte er gestern gegenüber ND Etwa mit dem Ziel, Investitionen in den Bezirken zu beschleunigen. Oder auch durch deren eigenen Finanzhaushalt (möglichst schon ab 1994). Vielleicht auch durch das „Lösen von Reformbremsen“ in der Berliner Verfassung.

Diepgen schränkte aber auch sofort ein, die Frage der Bezirks-Autonomie „allzu einfach zu stellen“. So blieben z.B. „Gewerbe- oder Wohnflächen, Ent- oder Versorgung“ ganz sicher stets „Sachen der zentralen Planung“ Nicht aber, „ob vielleicht in Friedrichshagen irgendwo Tempo 30 eingeführt werden soll“ Bürgermeister,

Stadträte, vor allem Bezirksverordnete sehen das allerdings bekanntlich ganz anders. Ebenso übrigens die potentiellen Partner Berliner Bezirke im Brandenburgischen.

Die Vorstellung, sich solcher Probleme per Länder-Fusion sozusagen im Urknall entledigen zu können, erweist sich in der Praxis immer mehr als irrig. Diepgen wie auch Dr. Linde gaben sich deshalb gestern erfreulich unverbissen mit den gleichlautenden Einschätzungen, daß man bestimmte Ergebnisse der bilateralen Regierungskommission in der Region auch ohne Fusion unbedingt brauche. Etwa das gemeinsame Landesentwicklungsprogramm (den Entwurf gäbe es dann im Mai) oder auch die gemeinsame Regionalplanung (Gutachten dafür sei bereits in Auftrag gegeben). Was etwa eine Verfassung anginge, beschränke man sich dagegen ohnehin nur auf „Organisatorisches “; Staatsziel-Diskussionen blieben „außen vor“. Das „wäre Sache eines künftigen Parla^ ments“. Auch hier also beiderseits längst wieder unverbindlicher Konjunktiv. MICHAEL MÜLLER

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