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Die Erdölkolonie Irak
Vor 75 Jahren wurde die IPC gegründet - Heute sind die USA die Ölmagnaten
Die Ölexporte aus Irak sollen wieder aufgenommen werden. Wer profitiert davon? Ein historisch-aktueller Rückblick.
Am 15. Oktober 1927 früh morgens schoss aus der Sonde Baba Gurgur I, einer der ersten bei Kirkuk niedergebrachten Bohrungen, eine fast 20 Meter hohe Fontäne mit giftigem Gas vermischten Öls. Die gewaltige Eruption überschwemmte die Gegend mit 100000 Tonnen Öl. Damit bestätigten sich die Ergebnisse britischer und US-Geologen, die seit Jahren von gewaltigen Ölvorräten in der Region Mosul sprachen. Nach dem Ersten Weltkrieg, der allen die ungeheure Bedeutung des Öls für diesen und die nächsten Kriege klargemacht hatte, war Irak (damals noch: Mesopotamien) aus der Konkursmasse des Osmanischen Reiches als Mandatsgebiet des Völkerbunds an Großbritannien gefallen. Und dort begriff man schnell, dass es sich um den wichtigsten Teil der Kriegsbeute handelte. Unter dem Wutgeschrei der zu kurz Gekommenen und der Verlierer - der Italiener, der Deutschen - gründeten die Briten am 31. Juli 1928 auf den Trümmern der Turkish Petroleum Company einen neuen Konzern, die Iraq Petroleum Company (IPC), mit Minderheitsbeteiligung zweier großer US- und einer neu gegründeten französischen Ölgesellschaft. Großbritannien, die erfahrenste aller Kolonialmächte, sorgte von Anfang an dafür, dass ihre Herrschaft über Irak mehr nach indirekter Kontrolle aussah, dafür aber umso wirksamer war: ein König (Feisal I.), von ihnen eingesetzt (1921), ein britischer »Hoher Kommissar«, eine Art eigene parlamentarische Regierung, britische Luftwaffenstützpunkte, weitgehende wirtschaftliche Abhängigkeit durch die Herrschaft der IPC über den wichtigsten Reichtum des Landes. 1932 aus der Mandatsherrschaft entlassen, blieb das Land, in feste Verträge gebunden, politisch, militärisch und wirtschaftlich von Großbritannien abhängig. König und Regierung fuhren einen vorsichtigen Kurs, zwar probritisch, aber zugleich arabisch-nationalistisch in zeitweiser Verbindung mit anderen Ländern (Jordanien, Syrien, Ägypten, Saudi-Arabien). Innere Kämpfe (Bauernunruhen, Kurdenaufstände, Arbeiterstreiks), mitunter mit Hilfe der britischen Luftwaffe niedergeworfen, stärkten das soziale und nationale Selbstbewusstsein der Bevölkerung und deren Widerstand gegen die britische Oberherrschaft. Die IPC verteidigte ihr Ölmonopol mit Hilfe der Londoner Regierung mit Klauen und Zähnen gegen Versuche deutscher und italienischer Großunternehmer und Banken, in ihr Reich einzudringen. Irakische Kreise hofften, sich mit Hilfe der faschistischen »Achsenmächte« von den Briten befreien zu können. Diese Gelegenheit schien 1940/41 gekommen, als die Wehrmacht sich auf den Marsch gen Osten in Richtung Kaukasus vorbereitete und das deutsch-italienische Afrikakorps sich in Richtung auf Kairo und den Suez-Kanal bewegte. Wir wissen nicht, inwieweit sich die irakischen (und iranischen) Nationalistenführer darüber im Klaren waren, dass sie, im Bunde mit den deutschen und italienischen Machthabern, nur den Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben hätten. Deutsche Wirtschafts-, Militär- und diplomatische Kreise jedenfalls beschäftigten sich in Siegeseuphorie seit Sommer 1940 unentwegt damit, wie sie sich »zum mindesten einen weitgehenden Einfluss an den Ölfeldern des Irak« sichern und »ein Eindringen in das iranische Gebiet« vorbereiten könnten (August 1940). Die Deutsche Bank, in Erdöl seit Jahrzehnten engagiert, meldete ihren Anspruch auf Vorzugsbehandlung »für den Fall des deutschen Vormarschs auf Mosul und Basra« an (November). Schon im September hatte es der Ölfachmann der IG Farben und Intimus Görings, Ernst Rudolf Fischer, als deutsches Hauptziel im Nahen Osten bezeichnet, »die beiden großen englischen Gruppen (die IPC-Gründer Royal Dutch Shell und Anglo-Iranian Oil Company; D. E. ) in die Hand zu bekommen«, um an die irakischen und iranischen Ölquellen zu gelangen. Irakische Offiziere stürzten Anfang April 1941 die Regierung und beriefen den Deutschenfreund Raschid Ali al-Gailani zum Ministerpräsidenten. Deutsche Agenten und Diplomaten und arabische Vertrauensleute sickerten ins Land. Irakisches Militär mobilisierte gegen die Briten. Doch die britischen Streitkräfte schlugen schnell und hart zu. Im Laufe des Mai brach der irakische Aufstandsversuch zusammen. Im Juni besetzten die Briten gegen Vichy-französischen Widerstand Syrien und Libanon. Ende August rückten britische und sowjetische Truppen in Iran ein. Der Traum vom deutschen Nahost-Ölimperium war ausgeträumt, als die Deutschen Anfang 1943 Stalingrad verloren und aus dem Kaukasus flohen. Um diese Zeit setzte der historische Wandel von der britischen zur US-Vorherrschaft im Nahen Osten ein. Großbritannien musste seine Schulden aus dem Krieg teuer bezahlen. Roosevelt klärte den verstörten britischen Botschafter am 18. Februar 1944 auf: »Das persische Öl gehört euch; das Öl von Irak und Kuwait teilen wir; Saudi-Arabien gehört uns.« Die US-Ölstrategie war bereits ein Vorbote des Kalten Krieges. In Washington traf man beizeiten Vorsorge dafür, »to oil another war« (H. Ickes, 1943). Das Erdöl galt den Amerikanern von nun an als strategischer Rohstoff von »nationalem Sicherheitsinteresse«, der Nahe Osten als Zone des »vital interest« der USA. Doch der nationale Befreiungskampf im Nahen Osten um volle nationale Souveränität auch über die eigenen Reichtümer und Ressourcen erzielte im Laufe der Zeit große Fortschritte. Heute glauben Politiker und Businessmen der USA, ihre strategischen Probleme im Nahen Osten auf lange Sicht lösen zu können. Es wäre töricht zu glauben, die USA würden Verfügung und Kontrolle über die 15 Milliarden Tonnen sicherer bzw. 34 Milliarden Tonnen vermuteter Erdölvorräte Iraks wieder aus der Hand geben (etwa 20 Prozent der Weltvorräte und das Achtfache des derzeitigen jährlichen Weltölverbrauchs). Das amerikanische Eindringen in die öl- und gasreiche Kaukasus-Kaspisee-Region zielt bereits seit Jahren auf die Bildung eines neuen, militärisch gesicherten Wirtschaftsblocks. Einschließlich Irak würde daraus ein US-kontrollierter riesiger, mit der ungeliebten OPEC gefährlich konkurrierender Ölblock entstehen. Die langfristigen politischen und sozialen Folgen dieser Strategie sind nicht abzusehen. Unruhen und Volkserhebungen, Antiamerikanismus und Fremdenhass, terroristische Gewalttaten sind mit Sicherheit zu erwarten. Und auch der Widerstand anderer Ölmächte und Ölgroßverbraucher (Russland, China, Indien, Japan) kann die riesige Zone US-imperialistischer Herrschaft vom Balkan bis zur chinesischen und indischen G...Zum Weiterlesen gibt es folgende Möglichkeiten:
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