FC Schönberg: ganz flacher Ball, aber auch ein bisschen Poker

Um Aufstieg zur Regionalliga: Am Sonntag erstes Spiel gegen FC Sachsen Leipzig

  • Michael Müller
  • Lesedauer: ca. 5.5 Min.
Schönberg gibt es auf der deutschen Landkarte 24 Mal. Eins davon ist Fußball-Schönberg. Es liegt zwischen Grevesmühlen und Lübeck, östlich der einstigen innerdeutschen Grenze in West-Mecklenburg, hat rund 6000 Einwohner und will in die Regionalliga aufsteigen. Natürlich wollen es die Kicker selbst. Aber auch Erz-Fan Wolfgang Srock (61), ansonsten Schriftführer im Rasse-Kaninchenzucht-Verein, will das und Franz Schlatow (11), mit 73 Treffern Torschützenkönig der F-Junioren, sowieso. Im Übrigen will es natürlich der ganze deutsche Fußball-Nordosten, in dem bislang zwischen der 1. Bundesliga (mit Hansa Rostock) und der 4., eben der NOFV-Oberliga Nord (mit deren frisch gebackenem Meister Schönberg) eine große Fußball-Lücke klafft.

Süd-Staffel viel stärker

Schorsch Müller, Manager vom FC Schönberg 95, will natürlich auch in die 3., also in die Regionalliga. Allerdings hält er den Ball vor dem ersten Relegationsspiel gegen FC Sachsen Leipzig, den NOFV-Oberliga-Staffelsieger Süd, ganz, ganz flach. »Nicht nur deshalb, weil Leipzig in einer Staffel gewonnen hat, die viel stärker ist als unsere hier oben«, sagt er. »Sondern auch deshalb, weil wir hier in Schönberg ja eigentlich Freizeitfußball spielen. Das Training fängt um 18.30 Uhr an, die Spieler bekommen lediglich eine Aufwandsentschädigung. Und auch unser Etat für die Regionalliga würde nicht höher als bei 840000 Euro liegen.«
Das klingt irgendwie alles stark untertrieben. Denn selbst in den ja eigentlich mit Amateurstatus versehenen deutschen Oberligen sind anderswo feste Gehälter bis um die 4- bis 5000 Euro anzutreffen. Sogar im Osten. Oder besser gesagt: waren anzutreffen. Denn die rigorose Sparwelle im Fußball schlägt natürlich auch bis hier durch. Doch Müller versichert gegenüber ND: »Wir haben heute den Vorteil, dass das bei uns noch nie anders war. Sollten wir tatsächlich den Aufstieg schaffen, werden wir eben keinen Kredit bei einer Luxemburger Bank aufnehmen. Sondern eine Saison voller Power mitspielen - und uns dann ganz sicher wieder verabschieden.«
Dennoch herrschen in Schönberg für sich genommen eigentlich Fußball-Verhältnisse, von denen man anderswo nur träumen kann. Das beginnt beim Hauptsponsor, der Palmberg Büroeinrichtungen + Service GmbH, deren geschäftsführender Gesellschafter Uwe Blaumann auch Klubpräsident ist. Einst Technischer Direktor im VEB Möbelkombinat Schwerin, hatte er den Laden 1991 von der Treuhand gekauft - in dem Jahr, in dem er als Vorstopper mit Schönberg in die Bezirksliga aufstieg. Der Umsatz wuchs seither auf mehr als das Zehnfache (45 Millionen Euro), und inzwischen arbeiten hier wieder über 300 Leute. Darunter auch Spieler der ersten Mannschaft. So Michael Koch als Fachberater oder Stefan Purz, der immerhin für zehn Millionen Euro Umsatz verantwortlich ist.
Als Marketing-Leiter arbeitet dort auch Schorsch Müller, in Personalunion Manager des FC Schönberg. Sein sportlich-medienmäßiges Meisterstück ist übrigens die etwas andere Idee, mit Bundesliga-Top-Mannschaften in Schönberg Aufsehen zu erregen. Die geht ganz einfach so: Man hole sich regelmäßig den Landespokal von Mecklenburg-Vorpommern und hoffe auf eine glücklich Ansetzung in der ersten Runde. Das - und nicht etwa den ultimativen Aufstiegsversuch in die Regionalliga - haben die Schönberger am Dienstag dieser Woche bereits zum fünften Mal in Folge praktiziert. Auf diese Weise kam 1999 Waldhof Mannheim hierher (und gewann 3:0), 2000 Bayern München (4:0), 2001 der VfB Stuttgart (4:2 nach 2:0-Halbzeitführung der Schönberger!), 2002 der HSV (6:0). Und auch für dieses Jahr hofft man auf einen großen Namen.
Das waren und sind alles nicht nur Feste für die Fußballfans der Region, für die die Schönberger dann immer ihr Stadion von normal 6000 mit mobilen Tribünen für 16000 Zuschauer hoch rüsten. »Das waren und sind natürlich auch Höhepunkte in einem Fußballerleben«, sagt Müller. »Du bist hier bei uns in der Region als Spieler ein Star, und dazu spielst du noch ab und an gegen echte Top-Klubs. Das ist was Bleibendes, das Motivation macht. Bei denen auf dem Rasen und bei denen, die an ihre Stelle wollen.«

Natürlich lockt auch Geld

Was natürlich nicht heißt, dass gute Schönberger Kicker nicht auch echte Profiambitionen hätten. Nord-Torjäger Enrico Neitzel (26), der letztes Wochenende sein 100. Oberligator innerhalb von vier Jahren schoss, wird, wie er versichert, selbst dann wechseln, wenn man den Regionalliga-Aufstieg schafft. Auch Trainer Christian Schreier (44), Ex-Profi in Leverkusen, Düsseldorf und Bochum mit 106 Bundesligatoren, hält sich bedeckt beim Thema Vertragsverlängerung. Allerdings auch sein Klubvorstand. Hier könnten die Relegationsspiele das Zünglein an der Waage sein.
In dieser Woche hat Schreier beim Pokern übrigens deftig verloren. Das kam so: Das diesjährige Landespokal-Endspiel hieß - und allein das macht Schönberg schon reif fürs Guinness-Buch der Rekorde - Schönberg I (Oberligamannschaft) gegen Schönberg II (Verbandsligamannschaft). Der Trainer der »Ersten«, eben Christian Schreier, schickte, um die Stammbesetzung für Pfingssonntag gegen Leipzig zu schonen, sämtlich seine Reservisten ins Rennen - und verlor gegen die Youngster der »Zweiten« 1:2!
Schreier war zwar unter den ersten, die den überglücklichen, von Regen und Sekt triefenden Siegern gratulierten, doch aus dem Vorstand erntete er nicht nur Spott, sondern auch Skepsis. Seinem klagenden Personaldecken-Argument (»Da seht ihrs, ich habe ja immer gesagt, dass ich nur 12, 13 wirklich oberligataugliche Leute im Kader habe.«) mochten bei der abendlichen Pokalfeier weder Präsident Uwe Blaumann noch Geschäftsführer Manfred Bolten so richtig folgen. Vielleicht aber geht Trainer Schreiers Poker ja in der Relegation gegen Sachsen Leipzig letztlich doch noch auf.
Bei diesem Stichwort ist Manager Schorsch Müller sofort wieder beim Ball flach halten: »Die Regionalliga wie sie jetzt noch ist, ist für unsere Verhältnisse eigentlich eine Nummer zu groß. Klar, wir bereiten alles ordentlich vor. Aber allein die 50 Leute vom Sicherheitsdienst und die 100 Polizisten, wenn nun am Sonntag Sachsen Leipzig kommt - das ist irgendwie schon nicht mehr so ganz unsere Fußballwelt.«

Schöne, kleine Fußballwelt

Die Schönberger Fußballwelt. Für diese Woche ist sie auf einem Zettel an die Tür des Vereinslokals im Jahn-Stadion angezweckt: Sonntag, 1. Juni: letzter Oberliga-Spieltag (Schönberg wird nach 2:0 gegen die Amateure von Hertha BSC Staffelsieger), Montag: Kreispokal-Finale (Schönbergs 3. Männermannschaft unterliegt SpVg. Groß Walmsdorf/Gramkow 2:2 n.V., 1:2 n.E.), Dienstag: Kreispokal-Finale der C1-Junioren (Schönberg gewinnt gegen Grevesmühlener FC 3:2), am Abend Landespokal-Finale (Schönberg II schlägt Schönberg I sensationell 2:1), Mittwoch: Kreispokal-Finale der F-Junioren (Anker Wismar schlägt Schönberg 3:2 n.V.), Pfingstsonntag: erstes Relegationsspiel gegen Sachsen Leipzig um den Aufstieg in die Regionalliga Nord...
Kann es für die kleine norddeutsche Kleinstadt Schönberg eigentlich eine noch schönere Fußball-Welt geben? Für Erz-Fan und Kaninchenzüchter Wolfgang Srock (61) und Franz Schlatow (11), Torschützenkönig der F-Junioren, wohl kaum. Zumindest so lange, wie es der Palmberg GmbH wirklich gut geht und die Maurine weiter durch Schönberg fließt.

Aufstieg zur Regionalliga Nord:
FC Schönberg - Sachsen Leipzig (Sonntag, 8. Juni, 14 Uhr; im MDR, 16.20 Uhr bei »Sport im Osten«)...

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