»Schlimmer als Mord«
Das Geheimnis der Bombe: Vor 50 Jahren wurden Ethel und Julius Rosenberg in den USA hingerichtet
Mit der Hinrichtung von Ethel und Julius Rosenberg ging vor 50 Jahren einer der spektakulärsten Spionageprozesse in den USA zu Ende. Bis heute streiten Historiker über die Schuld der damals 35 und 37 Jahre alten Eheleute.
Die Hinrichtung von Julius und Ethel Rosenberg vor 50 Jahren ist in den USA nicht in Vergessenheit geraten. Vor allem die US-amerikanische Linke ist bemüht, die Erinnerung wachzuhalten. In New York findet zur Zeit eine Ausstellung zum Thema »Kunst und Widerstand« seit den 50er Jahren statt. Am Abend des Jahrestages veranstalten die Schauspielerin Susan Sarandon, der Sänger Harry Belafonte, der Liedermacher Pete Seeger und andere Künstler eine »dramatische Lesung«. Zu den Organisatoren der Veranstaltung, die auch auf den Widerstand der jüngeren Generation gegen das »American Empire« aufmerksam machen will, zählt auch Robert Meeropol, einer der beiden Rosenberg-Söhne. Ethel und Julius Rosenberg starben auf dem elektrischen Stuhl im berüchtigten Gefängnis Sing Sing im Bundesstaat New York. Am 19. Juni 1953 durchjagten um 20.04 Uhr Stromstöße den gefesselten Julius Rosenberg. Er war sofort tot. Sieben Minuten später sollte Ethel Rosenberg ihrem Mann folgen. Sie überlebte den ersten Stromstoß. Die staatlichen Henker starteten einen zweiten Versuch, dieses Mal mit Erfolg. Zur gleichen Zeit demonstrierten Tausende auf dem Times Square in Manhattan gegen die Hinrichtungen. Die Linke lebte in Angst und Schrecken, die USA zeigten sich von ihrer aufgewühlten Seite. Den Exekutionen der Rosenbergs war ein Aufsehen erregender Spionageprozess vorausgegangen. Das Urteil: schuldig wegen »Verschwörung zum Zwecke des Diebstahls des Geheimnisses der Atombombe«. Ethel und Julius Rosenberg, zwei Mitglieder der Kommunistischen Partei der USA, so die Richter, hätten der Sowjetunion »die Bombe« geliefert. Richter Irving Kaufmann nannte den vermeintlichen Geheimnisverrat im Urteil »schlimmer als Mord«. Bis heute sind sich Historiker nicht über die tatsächliche »Schuld« der beiden KP-Mitglieder einig. Die Rosenbergs waren im Sommer 1950 verhaftet worden, kurz nachdem die Sowjetunion die erste Atombombe gezündet hatte. Da die ihnen vorgeworfenen Straftaten in die Jahre 1944 und 1945 fielen, konnte man ihnen nach damals gültiger Rechtslage keine Spionage vorwerfen. Die Sowjetunion war im Zweiten Weltkrieg mit den USA verbündet gewesen. Deshalb kamen die Rosenbergs wegen »Verschwörung zur Spionage« vor Gericht. Von Anfang an drohte die Justiz mit der Todesstrafe, um die beiden zu zwingen, sich schuldig zu bekennen und weitere Mittäter preiszugeben. Doch die Rechnung ging nicht auf: Julius und Ethel Rosenberg gestanden nichts. Robert Meeropol, der anlässlich des Jahrestages seine Memoiren »An execution in the family« veröffentlicht, sagt heute ganz offen: »Die Akten waren doppeldeutig. Aber ich sah mich gezwungen zu akzeptieren, dass mein Vater möglicherweise in illegale Aktivitäten verwickelt war, um der Sowjetunion gegen die Nazis zu helfen.« Es gehe ihm nicht darum, um jeden Preis zu behaupten, seine Eltern seien »unschuldig«. Meeropol fordert vielmehr, dass die Widersprüche in den 300000 Seiten umfassenden Dokumenten des Geheimdienstes CIA und der Bundespolizei FBI über die Rosenbergs endlich aufgearbeitet werden - »um der historischen Wahrheit willen«. Aus der Auseinandersetzung mit dem damaligen Geschehen erhofft sich Meeropol auch politische Konsequenzen für heute. In den USA müsse endlich eine Auseinandersetzung mit der McCarthy-Ära der 50er Jahre beginnen, so der Rosenberg-Sohn. Das vergiftete Klima von Kommunistenhatz, Todesstrafe, Koreakrieg und der Angst vor einem Atomkrieg weise »erschreckende Parallelen« mit der heutigen »Ära Ashcroft« auf. Der heute 56-Jährige, der 1990 seinen Anwaltsberuf an den Nagel gehängt hat, widmet sich inzwischen mit der Stiftung »Rosenberg Fund« den Kindern politischer Gefangener in den USA(www.rfc.org). Seit die Bush-Regierung ihren »Antiterror-Krieg« verhängt hat, erklärt Meeropol, sei es viel schwieriger geworden, in den USA Opposition zu betreiben. In Kriegen hätten die Regierungen immer versucht, »andere Meinungen auszuschalten«. Die Bush-Regierung aber versuche, einen »niemals endenden Krieg am Laufen zu halten« - und damit jegli...Zum Weiterlesen gibt es folgende Möglichkeiten:
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