Das habt ihr doch da reingeschrieben!

Heute: Gabriele Streichhahn, theater im palais/ theater im palais findet spielend Zeitbezüge

  • Almut Schröter
  • Lesedauer: 3 Min.
Strom muss her. Es kann doch nicht sein, dass Besucher eines Berliner Theaters in solch exzellenter Lage sich abends hinter der Neuen Wache durchs Dunkel zum Palais am Festungsgraben vortasten. Also wird jetzt ein Sponsor gesucht. Für die Lampen will sie sich dann schon mit anderen »Palaisbewohnern« gemeinsam engagieren. Gabriele Streichhahn in der Rolle der Organisatorin. Das ist das Spiel, das sich Theater als Geschäft nennt. Die Intendantin des 1991 gegründeten theaters im palais erzählt, sie musste an diesem Part im ersten halben Jahr hart arbeiten. Als Schauspielerin ist sie gewöhnt, sich jeweils auf eine Rolle zu konzentrieren. Als Theaterchefin flatterten ihr die Gedanken plötzlich in alle Richtungen. Ihre Kollegen Carl Martin Spengler und Jens-Uwe Bogadtke »trugen« sie damals oft in den ersten Minuten abends auf der Bühne. Sagt man so, wenn sie einen nicht »hängen« lassen. Wäre ein Unding am Festungsgraben. Die 17 Mitarbeiter des 99-Plätze-Theaters haben zusammen viel aufgebaut, durchgestanden und künstlerische Ansprüche dabei nicht runtergeschraubt. »Das Theater ist klein. Was wir an üblichem Bühnenbild nicht haben, machen wir mit besonderem Bühnenbild in Tateinheit mit besonderen schauspielerischen Mitteln wett. Unser Stil, mit Wort und Körpersprache zu erzählen, ist relativ einmalig in Berlin«, sagt die Intendantin. Es sei etwas Besonderes, wie sie und ihre Kollegen Fontane oder E.T.A. Hoffmann zeigen. Und sie erzählt von der Trilogie KRIEG MACHT LEID und von Shakes- peares »Macbeth«, den junge Zuschauer geradezu verschlingen. Das ist ein Erfolg, der sie stolz macht. Aufs Befinden der Zuschauer reagieren, ohne devot zu werden, ist auch eine Kunst. Nach dem 11. September wollten sie Fröhliches sehen, als der Irak-Krieg nahte, verlangten sie nach Ernsterem. »Wir versuchen immer, zwischen den Zeilen Assoziationen zu wecken, aktuelle Bezüge zu finden«, erzählt Gabriele Streichhahn. Manchmal schafft das ein klug ausgewähltes Stück auch allein. Beim Berliner Lustspiel von David Kalisch »Einmalhunderttausend Thaler« ging es um Börsenkräche und grausige Pleiten. Das habt ihr doch da reingeschrieben!, frotzelten Zuschauer beim üblichen Treff mit den Schauspielern nach der Vorstellung. »Nein, konnten wir beteuern«, lacht die Intendantin. »So ist die Geschichte. Wir habens nur in heutiger Zeit wieder gezeigt.« Dass den Schauspielern die Rollen für solche Treffer auf den Leib geschrieben werden, verdanken sie der künstlerischen Leiterin und Regisseurin Barbara Abend. Momentan arbeitet sie an dem Stück »Jud Süß«. Es gehört in die erwähnte Trilogie und soll im Herbst Premiere haben. Jetzt nahen die Ferien. Von morgen bis Samstag stellt das Ensemble beim »SommerNachtsWeinAbend Nr.7« die Gäste vor, für die im Juli die Bühne freigegeben wird. Da erwachen beispielsweise »Casanovas letzte Liebe« und dunkle Triebe bei »Fisch zu viert«, kommt es zu »Katastrophen-Geschichten«. Also Repertoire wie in der normalen Spielzeit, in die fürs Ensemble auch Gastspiele fallen, wenn Anfragen aus anderen Städten kommen. Auch die Aufforderung: »Feiern Sie mit Ihrem Unternehmen doch in unserem Theater, wenns etwas Besonderes sein soll!«, geht der Theaterchefin nicht schwer über die Lippen. Bisher hätte das noch niemand bereut. So ringt Gabriele Streichhahn mit List der großen Wirtschaft für die Kunst was ab. Die kleine Intendantin von 1,58 Meter.
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