- Brandenburg
- Der schwule Kurde Selman Arikboga mußte aus Berlin flüchten
Kein Polizeischutz trotz Morddrohungen
„Schützt die Polizei nur tote Leichen?“, heißt es in einer Presseerklärung von schwulen Organisationen. Der Eindruck ist nicht ganz unberechtigt: Trotz Morddrohungen und Telefonterror in der Privatwohnung und am Arbeitsplatz verweigert die Berliner Polizei dem schwulen Kurden und Mitbegründer von „SOS Rassismus“, Selmari Arikboga, jedwede Schutzmaßnahmen. Aus Angst um sein Leben ist Arikboga gestern aus Berlin ins Ausland geflohen.
Nach Angaben von Freunden begann der Terror Mitte August nach der „Aktion Standesamt“ von homosexuellen Paaren, an der Arikboga teilgenommen hatte. In seiner Funktion als Chef der „Schwulen Internationale“,
einer Organisation schwuler Ausländer, hatte der 25jährige auch der türkischen Zeitung „Hürriet“ ein Interview gegeben und damit die Aufmerksamkeit islamischer Fundamentalisten geweckt. Neben dem Terror am Telefon muß Arikboga offensichtlich auch beschattet worden sein, da die anonymen Anrufer über detaillierte Kenntnisse seines Tagesablaufes verfügten. Morddrohungen kamen selbst aus der Familie des Kurden, die ihren Namen besudelt sieht.
Die Polizei hat Schutzmaßnahmen bislang abgelehnt, weil „keine klaren Hinweise“ für eine akute Bedrohung vor-, lägen. Da „noch nichts passiert“ sei, könnten weder Fangschaltungen am Telefon
noch ziviler Personenschutz angeordnet werden. Entsprechende Empfehlungen des Polizeibeauftragten für Homosexuelle, Heinz Uth, blieben ohne Gehör.
Von Berliner Schwulenorganisationen wurden die Argumentation der Polizei scharf kritisiert. „Schwulen Persönlichkeiten muß schnell und unbürokratisch Hilfe und Schutz gewährt werden, wenn religiöse Fanatiker Grundwerte unseres demokratischen Rechtsstaates bedrohen“, sagte Martin Momper von der Schwulen Internationalen. Dagegen plädierte der Chef des Berliner Schwulen-Verbands, Bernd Stürzenberger, für Deeskalation und unterbreitete der Familie Arikbogas ein Gesprächsangebot.
„Die Schwulenbewegung muß endlich die Zusammenarbeit mit fortschrittlichen türkischen und kurdischen Organisationen suchen und beispielsweise ein türkischsprachiges Aufklärungsflugblatt entwickeln“, schlug Stürzenberger vor.
Die. Vorurteile im islamischen Kulturkreis sitzen allerdings tief. Nach Angaben der Arbeitsgruppe „Homosexuelle und Kirche“ kann Homosexualität nach islamischem Recht noch immer mit der Todesstrafe geahndet werden durch Steinigung, das Schwert oder das Herunterstürzen des Verurteilten mit gefesselten Beinen und Armen in einen Abgrund.
MICHA SCHULZE
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