Trümmer aus der Donau geräumt

Rätseln über Zweck der NATO-Bombardierung

  • Margarete Misselwitz, Belgrad
  • Lesedauer: ca. 2.5 Min.

Schiffe auf der Donau haben bei Novi Sad wieder freie Fahrt. Vier Jahre nach Kriegsende sind die letzten Brückentrümmer aus dem Fluss geräumt. 26 Millionen Euro kostete es, die Spuren der NATO-Bombardements zu beseitigen, 85 Prozent davon bezahlte die EU. Aus den USA kam kein Cent.

Insgesamt wurden bei der Bombardierung während des NATO-Krieges gegen Jugoslawien 1999 elf Brücken zerstört, davon drei über die Donau - allesamt in Novi Sad. Die Varadin-Brücke, die die Stadt mit der Burg Petrovaradin und ihrem alten Viertel am anderen Ufer verband, die Autobahnbrücke Most Slobode (Freiheitsbrücke) und die Auto- und Eisenbahnbrücke wurden am 1., und 3. und am 26. April 1999 zertrümmert. Novi Sad ist heute indes kaum denkbar ohne seine Brücken. Eine auf dem Wasser schwimmende Pontonbrücke und die wiederaufgebaute Varadinski Brücke verbinden beide Teile der Stadt wieder. Die Enden der Autobahnbrücke ragen dagegen immer noch ins Nichts. Täglich überqueren bis zu 50000 Menschen die Donau. Nur schwer vorstellbar, wie es war, als dies plötzlich nicht mehr möglich war. Verschärft wurde die Situation dadurch, dass auch die Ölraffinerie nördlich des Zentrums mehrfach bombardiert wurde. Nach Angaben des Vorsitzenden der Ökologischen Bewegung (Ekoloki Pokret) in Novi Sad, Nikola Aleksic, wurde die Raffinerie immer nur dann angegriffen, wenn die Tanks gefüllt waren. Dabei sollen tausende Tonnen Öl in den Boden eingedrungen sein und das darunter liegende Trinkwasserreservoir verseucht haben. Die Stadt verlor damit 60 Prozent ihres Trinkwasserhaushalts; die 300000-köpfige Bevölkerung musste aus einem nicht ausreichenden Ersatzreservoir versorgt werden. Das Stadtbild war damals von Menschen geprägt, die mit Eimern voll Wasser durch die Straßen liefen. Für die Donau-Anrainer und den internationalen Schiffsverkehr entstand durch die Zerstörung der Brücken erheblicher Schaden. Der Verlust wurde auf täglich eine Million Euro geschätzt. Die Trümmer verhinderten noch bis vor kurzem die Passage eines Großteils der Frachtschiffe. Inzwischen gibt es nur noch ein Hindernis: die Pontonbrücke. Milan Jazic ist dafür zuständig, dass sie drei Mal wöchentlich für den Schiffsverkehr geöffnet wird. Mit einer Mischung aus Vorwurf und Resignation beklagt er, dass die Folgen der Bombardements letztlich nicht die Staaten tragen müssen, die für den Schaden verantwortlich sind, sondern vor allem die finanzschwachen Anrainer weiter östlich. An die vielen Schiffer aus Rumänien, Bulgarien und der Ukraine, die wegen der Zerstörung der Brücken ihre Arbeit verloren haben, denke keiner. Immer noch fragt man sich in Novi Sad, warum gerade diese Brücken zerstört wurden. Die Stadt wurde schon vor dem Sturz Slobodan Miloevics von der Opposition regiert. Zudem ist Novi Sad ein Beispiel für das Zusammenleben vieler Minderheiten. Falls die Serben kollektiv bestraft werden sollten: Warum wurde gerade dort gebombt, wo die meisten Nicht-Serben leben? Bis heute kursieren mehrere Theorien. Gutwillige meinen, bei der NATO habe man einfach keine Ahnung gehabt, wer und was da bombardiert wurde. Andere vermuten ökonomische Motive. Der Architekt Miroslav Krstonoic etwa glaubt, dass die USA den Öltransport zwischen Schwarzem Meer und den Raffinerien in Mitteleuropa unterbrechen wollten, um eine Erhöhung des Ölpreises zu erreichen, wodurch Europa wirtschaftlich geschwächt wurde, während sich der Dollar stabilisierte. Wie auch immer: Es bleibt hier zu Lande unverständlich, wie die Bombardierung, die vor allem die Zivilbevölkerung schädigte, als »...

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