Der Dreh mit dem Braten

Ausstellung »Migrationsgeschichten» erzählt vom fremden Einfluss auf die Stadt

  • Jack Rodriguez
  • Lesedauer: ca. 1.5 Min.
Zu Ferienbeginn zeigte eine TV-Umfrage: Kinder essen am liebsten Döner. Was ist dran am Drehbraten (Türkisch: Döner Kebab), der in Streifen geschnitten zusammen mit Salat zwischen einem Stück Fladenbrot serviert wird? Das Museum Europäischer Kulturen in Dahlem betrachtet nun das Fastfood-Gericht sozio-kulturell. Allein 25000 Kilogramm des »Drehers« (Döner) gehen täglich über mehr als 1300 Berliner Imbisstheken. Erfunden worden sei der Vertikalgrill, an dem das Fleisch gegart wird, in Deutschland, sagt Elisabeth Tietmeyer, die stellvertretende Museumsdirektorin: »In Spanien werden die Spieße sogar unter dem Namen Berlin-Döner verkauft.« Und die Umsätze von Döner-Produktion und Vertrieb übertrumpfen die von McDonald's. Aus dem thüringischen Sonneberg kommen originalgetreue Kunststoff-Dönerspieße, die türkische Imbissbesitzer seit kurzem auf Berlins Straßen als Werbung aufstellen. Dabei war der Döner eine echte Notlösung. Nachdem 1955 die BRD eine erste Anwerbeaktion in Italien gestartet hatte, wurden später weitere Arbeitskräfte aus Spanien, Griechenland, der Türkei, Portugal und Jugoslawien eingestellt. 2,6 Millionen Ausländer zählte der Westen im Jahr des Anwerbestopps 1973, als die Wirtschaft erlahmte. Viele, vor allem Türken, blieben trotzdem und holten ihre Familien nach. Für ihren Lebensunterhalt kamen sie auf den Dreh mit dem Braten, der aus Kalbfleisch und Kalbshack besteht. Aus Gastarbeitern wurden Gewerbetreibende, die inzwischen die Essgewohnheiten eines Teils der deutschen Bevölkerung verändert haben. Der Döner Kebab ist eine von acht Exponatengruppen, an denen Migrationsgeschichten - so der Ausstellungstitel - seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert erzählt werden. Auch über den Berliner Leierkasten. Er wurde von fahrenden Musikanten aus Südeuropa mitgebracht und von Italienern hier perfektioniert. Die Drehorgeln der Familie Bacigalupo waren die begehrtesten. Erst 1978 schloss der letzte Betrieb in der Schönhauser Allee 78. 20 Jahre später siedelten sich entlang dieser Einkaufsmeile vietnamesische Händler und Imbissbetreiber an. In ihren heutigen Geschäften findet sich meist ein Altar mit einem Buddha und den Göttern Phuc, Lôc, Thô, von denen Glück, göttlicher Beistand und ein langes Leben erbeten werden. Was Vietnamesen in ihren eigenen Räumen machen, stört keinen. Dafür erregen Kopftücher als Glaubensbekenntnis moslemischer Lehrerinnen Unmut, wie eine Pressedokumenta...

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