Am Rand der ND-Tour

»Villa Austen« und eine stinkende Straßenbahn

  • Fritz Schröder
  • Lesedauer: ca. 2.5 Min.
Was man nicht erlernt, das kann man erwandern. Eingedenk dieses Wortes, das Fontane zugeschrieben wird, pflegen wir die Tradition der kurzweiligen Rätseleien am Rande der Strecken unserer zweimal jährlich stattfindenden Wanderungen. Im »Quiz unterwegs« vermitteln wir spielerisch Topografie, Heimatkunde und biologische Merkwürdigkeiten unserer Region.
Die ehrenamtliche Troika, die für den 23. September die Herbsttour vorbereitet, hatte auch diesmal wieder Briefe von Lesern in der Kartentasche, so von Dr. Günter Steltner, Jaqueline Merkel, Carsten Brock und Hellmuth Bürger, alle aus Berlin. Daraus konnten wir Anregungen entnehmen. Herzlichen Dank.
Eichwalde, wo wir unsere Wanderung beginnen, ist heute eine typische Vorortgemeinde im grünen Gürtel, gerade mal gut hundert Jahre alt. Die Gemeinde entstand aus einem parzellierten Gutsgelände, damals noch zum Kreis Teltow gehörig. Der stadtbekannte Architekt Bruno Taut war vor dem ersten Weltkrieg federführend für einen Flächennutzungsplan.
In der Eichwalder Stubenrauchstraße 11 fällt uns ein markantes historisches Gebäude auf, ein typischer Gründerzeitbau mit mauretanischem Einschlag. Es wurde 1895 erbaut, zwei Jahre nach der Gründung der Gemeinde. Bauherr war der Fabrikant Hugo Hoffmann, der sich als Erbauer der bekannten Schokoladenfabrik »Sarotti« in Tempelhof einen Namen gemacht hatte. Später, Anfang der 30er Jahre, erwarb der Fabrikant Franz Austen das Haus, welches noch heute von Einheimischen als »Villa Austen« bezeichnet wird. Der Bau ist vom Feinsten saniert worden. Die Gemeinde als Besitzer seit den 90er Jahren hatte die notwendigen Gelder nicht aufbringen können und das Haus an privat verkauft.
Auf unserer herbstlichen Tour werden wir zweimal die Straßenbahnlinie 68 überqueren. Vorsicht ist geboten! Denn die grünen Sträucher gehen bis dicht an den Bahnkörper heran! Die Strecke führt, von Köpenick kommend, über Grünau nach Schmöckwitz. Mehrere Kilometer fährt sie entlang der Dahme, die den Langen See durchfließt. Im Volksmund trägt sie deshalb den Namen Uferbahn. Die Geschichte des Dorfes Schmöckwitz, einer Fischersiedlung, lässt sich bis in die Mittlere Steinzeit (5000 vor unserer Zeitrechnung) zurückverfolgen.
Anfang des vorigen Jahrhunderts hatte sich die damals noch nicht zu Berlin gehörige Gemeinde mit Blick auf die Entwicklung als Erholungsgebiet bereits um eine elektrische Straßenbahnverbindung zum »Staatsbahnhof Grünau« bemüht. Als 1911 der Bau begann, protestierten die Gemeindevertreter von Grünau zunächst gegen die Masten der Oberleitungen, weil diese die Landschaft verschandelten. Nachdem die Uferbahn im März 1912 in Betrieb ging, verschandelten zwar keine Masten die Landschaft, dafür verpesteten die nun gewählten Benzol-Triebwagen die Waldluft. Die Verfechter der elektrifizierten Strecke gewannen alsbald die Oberhand.
Mit dem Bau der Schmöckwitzer Uferbahn kam es zu einem ungeahnten Aufschwung vor allem für den Wassersport. In Karolinenhof und Schmöckwitz stammen mehrere Bootshäuser für Segler und Ruderer aus dieser Zeit. Auf Betreiben der Gastwirte und Sportler war die neue Brücke über die Dahme mit einem so genannten Mastendurchlass versehen. So konnten Segelboote und Lastensegler mit Hilfe aufklappbarer Stahlplatten ohne Ziehen der gesamten Brücke und das nicht ungefährliche Mastlegen passieren.
Der nahegelegene Fachwerkbau der traditionsreichen Gaststätte »Palme« ist leider in die Jahre gekommen. Die Politik der Treuhand tat ein Übriges, so dass die wohl älteste Ausflugsgaststätte Berlins heute geschlossen ist. Die Berliner können nur hoffen, dass dieses Gelände für die Ausflugsgastronomie gerettet wird.

Start der Wanderung: Sonntag, 23....

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