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Der politische Hund

  • Peter Kirschey
  • Lesedauer: 3 Min.
Mit bekannten Sprüchen ist dem politischen Berlin in der zurückliegenden Woche kaum beizukommen. Im Regen stehen, oder auf einen warmen Regen warten - all das liegt beim Blick in die Kulissen hauptstädtischer Macht und Staatsverantwortung daneben. Ob Bürger oder Amtsperson - alle warten auf die lang ersehnte Abkühlung. Denn trotz einiger Güsse, die schneller verdampften, als sie aufs Pflaster platschten - die drückende Hitze hält sich mit kaum gekannter Brutalität in den Gemäuern. Das aber hält die bedeutenden Bewegungen der Stadt nicht davon ab, trotz Ozonwarnung, Hitzestaus und Mehrweg-Flaschenmangels unheimlich politisch aktiv zu sein. Die CDU beispielsweise äußerte sich gestern grundsätzlich: »Berlin braucht eine dauerhafte Lösung für sichere und artgerechte Hundehaltung«. Was, um Gottes Willen, ist schon dauerhaft und für die Ewigkeit gemeißelt? Die FDP wartete mit einem sensationellen 6-Punkte- Plan gegen Hundehaufen auf. Auch die Bündnisgrünen waren sofort zur Stelle: »Kampfhund oder nicht Kampfhund - das ist hier die Frage«, die sie am Freitag der Öffentlichkeit zum Fraß vorwarfen. Während CDU und FDP ansonsten still agierten, zeigten sich die Bündnisgrünen durch die Hitze nahezu entfesselt. Mit 12 politischen Erklärungen stießen sie voll ins real nicht existierende Sommerloch. Egal, was in der Stadt passierte, die Bündnisgrünen waren dabei: Erklärungen zum völlig unzeitgemäßen Rodeo auf dem deutsch-amerikanischen Volksfest, »Avanti Dilettanti« zum Bauprojekt Akademie der Künste, zu Giften in Quietsche-Entchen, zum Krankenstand in den Verwaltungen, zum ausbleibenden Investor für den Teufelsberg, usw, usw. Nur die Berliner Regierungsparteien hielten sich hundepolitisch deutlich und auch sonst zurück. Dafür agierten sie fast im Untergrund. So ehelichte in aller Stille Mittes Jugend- und Finanzstadtrat Jens-Peter Heuer von der PDS seine Lebensgefährtin Ines Sehlmann, die als Referentin der Bürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg wirkt. Wird hier klammheimlich eine weitere Bezirksfusion vorbereitet und der Bezirk Mitiwefrikreu (Mitte, Tiergarten, Wedding, Friedrichshain, Kreuzberg) geboren? Auch PDS-Abgeordnetenhausmitglied Benjamin Hoff gönnt sich ein stilles Vergnügen. Mit seinem frisch erworbenen, quittegelben Gummiboot wollte er die Mecklenburger Seen beplanschen. Doch der liegen gebliebene Arbeitsberg machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Also liegt das schöne Stück aufgeblasen und voll einsatzfähig im Hoff-Arbeitszimmer. In freien Minuten setzt er sich rein, greift zur Paddel, schließt die Augen und hört dann das Schilf rauschen und die Rohrdommel jubilieren. Es geht auch anders, aber so geht es auch. Möglichst laut möchte es heute SPD-Bürgermeisterin Karin Schubert haben, die zur Zeit das Regierungszepter schwingt. Sie lädt ab 18 Uhr »alle Berlinerinnen und Berliner« (was passiert, wenn wirklich alle kommen?) in die Mercedeswelt am Salzufer, um einen »spannenden und fröhlichen Abend zu genießen«. Auf einer Video-Leinwand wird das ARD-Spielshow-Fernsehduell Berlin gegen Bonn mit prominenten Sportlern bei Bier, Boulette und Bratwurst präsentiert. Nutzen wir also den möglicherweise letzten heißen Abend, um richtig fröhlich zu sein. Wer weiß, vielleicht geht am Montag der Sommer nahtlos in den Winter über. Und dann haben wir den Salat - der auch immer teurer wird.

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