Teuflisches Vergnügen

Entstaubte Klassik: »Mephisto« im Weimarer Kubus

  • Peter Liebers
  • Lesedauer: 2 Min.
In der Hölle ist der Teufel los. Das Unternehmen Unterwelt steckt in der Krise, gefälschte Bilanzen und Mangel an armen Seelen lassen bei Mephisto die Alarmglocken schrillen. Weil die Menschen den Glauben verloren hätten, vagabundierten die Seelen der Toten in der Grauzone zwischen Himmel und Hölle. Das soll geändert werden. Mit großer Geste schwört Mephisto die Geister der Unterwelt auf eine neue Marketingstrategie ein. Quintessenz: »Aufrichtigkeit ist alles. Wenn Sie es schaffen, sie vorzutäuschen, haben Sie schon gewonnen.« Mit dieser Maxime machen sich die dunklen Gestalten auf, um Dr. Fausts Seele zu umgarnen. In dem Musical »Mephisto«, das den Weimarer »Kubus« im Ilm-Park seit Wochen bis auf den letzten der 300 Plätze füllt, ist Goethes »Faust« in der Gegenwart angekommen. Entstaubt und entrümpelt wurde aus dem klassischen Stoff ein teuflisches Vergnügen. Walter Bialek lässt in seiner Musik kaum eine Stilrichtung aus und stürzt die Zuschauer in ein Wechselbad der Gefühle zwischen himmlischen Chorälen und hartem Rock. Librettist Jürgen Lorenzen agiert zugleich als brillanter Mephisto und einfallsreicher Regisseur und macht aus Faust den »größten Wachstumsmakler.« Der spricht ausgerechnet bei der Hochzeit mit Gretchen (Kristin Kuhnert) den Satz vom Augenblicke, der verweilen soll - und stürzt ins Verderben. Dem folgt ein furioses Verwechslungsspiel zwischen Gut und Böse. Die himmlischen Heerscharen besiegen die Gestalten der Unterwelt, und Faust und Gretchen finden sich im Himmel wieder. Ihnen sei vergeben worden, weil sie nicht wussten was sie tun, lautete die hintersinnige Botschaft. Doch das einer Kitschpostkarte entlehnten Bühnenbild der Erlösungsszene wird von Mephisto mit einem Paukenschlag hinweggefegt. Er zerstört den Himmel, und die Engel tanzen als seine Marionetten. Mephisto triumphiert: »Ihr seid alle meine Knechte, ich bin das Gestern, Heute und das Morgen.« Als sich selbst das Heilige Kind als sein Spross entpuppt, brechen alle Dämme. Mit der Hochzeit zwischen Himmel und Hölle erreicht Mephisto sein Ziel, die »Superfusion« der Gegensätze. Das Paradies aber bleibt verschlossen. Satanicus, der Zeremonienmeister der Unterwelt, kommt zu dem Schluss: »Der Teufel steckt tief in uns allen, stellen wir uns doch selbst die Fallen.« Nur noch Sa., 16 und 20Uhr, So., 20Uhr
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