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Umfassendes Informationsrecht nicht nur für den Wirtschaftsausschuss
Eine verbreitet unrichtige Deutung der Unterrichtungspflicht des Arbeitgebers gegenüber dem Wirtschaftsausschuss (§106 Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG) hat in der betrieblichen Praxis sehr häufig dazu geführt, dass Betriebsräte in Betrieben bis 100 ständig beschäftigten Arbeitnehmern von Informationen in wirtschaftlichen Angelegenheiten ausgeschlossen werden. Informationen aber sind für den Betriebsrat Voraussetzung für richtiges Handeln.
Nach §106 Abs.1 BetrVG ist in Unternehmen »mit in der Regel mehr als einhundert ständig beschäftigten Arbeitnehmern« ein Wirtschaftsausschuss zu bilden. Dieser soll vom Arbeitgeber »rechtzeitig und umfassend über die wirtschaftlichen Angelegenheiten« unterrichtet werden. Als solche Angelegenheiten werden in Abs.3 zehn (im jetzt gültigen neuen Gesetz: elf) Themenbereiche aufgeführt, über die »insbesondere« unterrichtet und beraten werden muss. Die Aufzählung ist also nicht abschließend (siehe dort).
Die (zum Teil absichtliche) Fehldeutung besteht darin, dass Arbeitgeber in Unternehmen mit fünf bis 100 Arbeitnehmern, sofern ein Betriebsrat besteht, diesen über die in §106 Abs.3 aufgeführten Themen nicht informieren. Das Argument: Die Unterrichtungspflicht bestehe nur gegenüber dem Wirtschaftsausschuss, und der sei erst in Unternehmen mit mehr als 100 Beschäftigten zu bilden.
Nun ist auch der Betriebsrat in Unternehmen ohne Wirtschaftsausschuss nicht ohne Informationsrecht. Es bezieht sich auf seine »Allgemeinen Aufgaben« gemäß §80 Abs.1 Nr. 1 bis 7 (neu: Nr.1 bis 9), die im Wesentlichen Arbeits- und Sozialbedingungen betreffen. Der in §106 genannte umfangreiche wirtschaftliche Bereich kommt dort nicht vor, was bedeutet, dass in Betrieben ohne Wirtschaftsausschuss der Betriebsrat selbst die zu unterrichtende Adresse ist.
Das hat was mit der Systematik des Gesetzes zu tun. Dem Gesetzgeber ging es nicht darum, Betriebsräte in kleinen Betrieben von wirtschaftlichen Informationen auszuschließen. Für größere Betriebe/Unternehmen mit mehr als 100 Beschäftigten ist lediglich ein anderes Gremium - der Wirtschaftsausschuss, den es in solchen Betrieben geben soll - zu unterrichten.
Der Wirtschaftsausschuss besteht nach §107 BetrVG aus nur drei bis sieben Mitgliedern, die zudem die »erforderliche fachliche und persönliche Eignung« besitzen sollen. Während des Gesetzgebungsverfahrens für das BetrVG von 1972 sprach der Ausschuss des Bundestages für Arbeit und Sozialordnung diesen Aspekt bereits an: Mit der »Zwischenschaltung« des Wirtschaftsausschusses sollten Informationen über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens dem Betriebsrat nicht versperrt werden. Sie erkläre sich »allein aus der Überlegung des Gesetzgebers, dass das zu informierende Gremium wegen des besonderen Charakters der Informationen nicht zu groß sein dürfe und... wegen der Schwierigkeit der wirtschaftlichen Fragen über eine besondere Sachkunde verfügen müsse ...«
Der Grundgedanke war also, in größeren Betrieben, wo wirtschaftliche Fragen komplizierter und unübersichtlicher sein können als in den kleinen, ein sachkundiges Gremium zu haben, demgegenüber der Arbeitgeber die Informationspflicht hat. Das heißt im Umkehrschluss, dass er sie in den kleinen Betrieben bis 100 Arbeitnehmer gegenüber dem Betriebsrat hat und sie nicht einfach verweigern kann.
Folgerichtig hat schon 1986 das Arbeitsgericht Bochum rechtskräftig entschieden, dass in Betrieben mit weniger als 101 Arbeitnehmern die Rechte des (fehlenden) Wirtschaftsausschusses vom Betriebsrat wahrgenommen werden können (24.März 1986, Az. 2 BV 15/ 85). Dies begründet auch den Anspruch von Betriebsratsmitgliedern, gemäß §37 Abs.6 BetrVG an Bildungsmaßnahmen, ...
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