Vereinbarkeit von Familie und Beruf als Aufgabe

  • GERD SIEBERT
  • Lesedauer: 3 Min.
Zu den vielen Aufgaben, die der Betriebsrat ohnehin schon hat, ist mit der Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) im Jahre 2001 eine hinzugekommen, die besonders gut und nützlich klingt, aber schwer zu machen ist: »die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit zu fördern« (§ 80 Abs. 1 Nr. 2b). Der Gesetzgeber schreibt diesen Passus in seine Erfolgsbilanz und lässt die Betriebsräte allein mit dem Unternehmer, der vielleicht von dieser Bestimmung überhaupt nichts hält. In der Begründung des Gesetzentwurfs zum BetrVG wird erklärt, diese Regelung solle Arbeitnehmern mit Familienpflichten die Ausübung der Berufstätigkeit erleichtern helfen. Gedacht ist an Folgendes: Wenn z. B. Beschäftigten mit kleinen Kindern die Schichtarbeit nicht mehr möglich ist oder Arbeitsbeginn oder -ende der normalen Arbeitszeit zu ungünstig liegen, um die Öffnungszeiten des Kindergartens wahrnehmen zu können, dann soll mit Hilfe des Betriebsrats eine betriebliche, auch individuelle Lösung gefunden werden, um betroffenen Arbeitnehmern die Erwerbstätigkeit zu ermöglichen. Auf keinen Fall soll es dazu kommen, dass betriebliche Regelungen der Wahrnehmung unerlässlicher familiärer Verpflichtungen derart im Wege stehen, dass sie letztendlich zur Aufgabe der Erwerbstätigkeit zwingen würden. Neben dem Mangel an Arbeitsplätzen überhaupt sind es oft unzureichende betriebliche und gesellschaftliche (kommunale) Rahmenbedingungen, die es besonders den Frauen in der Familie unmöglich machen oder erschweren, erwerbstätig zu sein. Mit der neuen Bestimmung im BetrVG sollen nicht nur bestehende Arbeitsverhältnisse mit den familiären Aufgaben besser abgestimmt, sondern mit entsprechenden Maßnahmen soll auch die Rückkehr in die Erwerbstätigkeit ermöglicht werden. Da sich der Gesetzgeber in erster Linie an den Betriebsrat statt an den Arbeitgeber wendet, ist dieser gefordert, daraus das Beste zu machen. Seine begrenzten Möglichkeiten zur Durchsetzung sind die Entgegennahme von Anregungen aus der Belegschaft und das Antragsrecht gegenüber dem Arbeitgeber, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen. Der Arbeitgeber muss förmlich den Betriebsrat unterrichten, ob und wie er Forderungen umzusetzen gedenkt (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG). Um seinem gesetzlichen Auftrag nachzukommen, ist der Betriebsrat berechtigt, in einem ersten Schritt z. B. eine schriftliche Umfrage in der Belegschaft durchzuführen, um festzustellen ob, wie viele und welche Arbeitnehmer Schwierigkeiten bei der Vereinbarkeit von Familienleben und Erwerbstätigkeit haben und worin diese bestehen. Praktischerweise sollten auf dem Rückgabeschein, den der Betriebsrat nach einigen Tagen einsammelt, auch Vorschläge erbeten werden, wie bestehende Probleme durch Veränderungen im Betrieb selbst behoben werden können. Durch Auswertung im Betriebsrat und entsprechende Beschlussfassung wären dann die nötigen Forderungen an den Arbeitgeber heranzutragen. In einer förmlichen Beratung mit dem Arbeitgeber sollte auf terminierte Absprachen gedrungen werden, damit die Angelegenheit nicht auf die lange Bank gerät. Am Ende der Beratungen sollte eine Betriebsvereinbarung mit genauen Festlegungen stehen. Die Thematisierung dieser Angelegenheit in Betriebsrats- Infos (auch Schwarzes Brett) und in der Betriebsversammlung kann für den Fortgang der Dinge nützlich sein. Richtig ist, dass solches Verfahren nicht in jedem Betrieb, besonders den kleinen und mittleren, machbar ist. In größeren hingegen, so berichtet der Verlag Arbeitsrecht im Betrieb (Newsletter 7/ 2003), gibt es bereits gute Erfahrungen damit.

Wir sind käuflich.

Aber nur für unsere Leser*innen. Damit nd.bleibt.

Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen aufgreifen
→ marginalisierten Stimmen Raum geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten voranbringen

Werden Sie Teil unserer solidarischen Finanzierung und helfen Sie mit, unabhängigen Journalismus möglich zu machen.