Die unheimliche »Entsorgung« der K-159

Ein Atom-U-Boot der russischen Nordflotte ist auf dem Weg zum Abwracken gesunken - neun Tote

Das russische Atom-U-Boot K-159 liegt seit Samstagmorgen 185 Meter unter der Oberfläche der Barentssee. Eigentlich sollte es vom Stützpunkt Gremicha zum Abwracken nach Poljarni geschleppt werden. Das Schiff schaffte seine letzte Reise nicht.

Leider, so Verteidigungsminister Sergej Iwanow gestern, müsse man sagen, dass »es keine Chancen mehr gibt, noch einen Überlebenden zu finden«. Zehn Mann waren an Bord des Schrottkahns, der von vier Pontons »gesichert« entlang der Küste der Halbinsel Kola geschleppt wurde. Stürmisches Wetter kam auf, die Pontons hielten nicht und ganz offensichtlich war K-159 alleine nicht schwimmfähig. Gegen 2. 20 Uhr, der Schleppzug befand sich fünf Kilometer nordwestlich der Insel Kildin, kam der Befehl zum Verlassen von K-159. Gegen 3 Uhr war das, was mal ein Angriffs-U-Boot gewesen ist, verschwunden. Ein Mann, Oberleutnant Maxim Tschybulsky, konnte lebend geborgen werden, zwei weitere Seeleute nur tot. Den anderen - gleichfalls alle nach ihrem Dienstgrad erfahrene Seeleute - ist das Boot offenbar zum eisernen Sarg geworden.
Nach dem derzeitigen Ermittlungsstand war es wieder eine Ansammlung von Schlamperei und Verantwortungslosigkeit, die zum Verlust und einer verpatzten Rettungsaktion geführt hatten. Seit Jahren wurde an der Schleppmethode Kritik geübt. Dass derart viele Seeleute auf dem Boot waren, zeigt, dass offenbar jede Hand gebraucht wurde, damit sich das Boot über Wasser halten konnte. Dass es dennoch so schnell sank, ist ein Hinweis darauf , dass die Schotten zwischen den Abteilungen nicht sicher waren. Bekannt waren auch die Wetterbedingungen, dennoch durften der U-Boot-Schleppzug sowie ein weiterer auslaufen. Doch damit nicht genug - dieser zweite, der sein Ziel erreichte, sorgte auch noch für Verwirrung. Die Marine schickte nach dem Unfall mit K-159 Hubschrauber aus. Die meldeten, es sei alles in Ordnung. Sie hatten den falschen Konvoi geortet.
Die K-159 war ein Schiff vom Typ »November«. So lautet der NATO-Code für diese nukleargetriebenen Fahrzeuge der ersten sowjetischen Generation. Das Boot wurde ursprünglich von zwei 70 MW-Reaktoren angetrieben. Die seien sicher, behauptet die russische Marine. Als man das Boot 1989 nach 26 Dienstjahren ausmusterte, seien sie abgeschaltet worden. Zudem habe man, so die offizielle und wiederum schlampige Aussage, alle Torpedos und Raketen - die es an Bord der November-Schiffe nie gab - von Bord geholt.
Eigentlich wichtige Fragen zur Art und Weise der Reaktorsicherung beantwortet die Marine nicht. Sie behauptet nur, dass keine Gefahr besteht. Sicher dagegen scheint, dass die Atommeiler noch immer mit ihren Brennstäben - Masse 800 Kilogramm - bestückt sind. Wie sicher die Steuerstäbe arretiert sind und was mit ihnen sowie den gesamten Reaktorkörpern bei Aufprall auf dem Meeresboden und den nun veränderten Druckverhältnissen geschehen ist, muss geklärt werden. Das gilt auch für die Frage nach möglichen Kühlmitteln aus dem Primärkreislauf.
Nach der Katastrophe mit der »Kursk« vor gut drei Jahren haben die Verantwortlichen zumindest eines gelernt: Katastrophenmanagement. Präsident Wladimir Putin - diesmal nicht auf der Krim sondern auf Sardinien - versprach umgehend eine schonungslose Untersuchung, der Marinebefehlshaber präsentierte mit Kapitän Sergej Schemtschuschow umgehend einen Schuldigen, die Popen organisierten umgehend einen Gottesdienst.

Die Angst vor schwimmenden Tschernobyls

Bis zum Beginn des neuen Jahrtausends hatte die russische Kriegsmarine nach eigenen Angaben 184 Atom-U-Boote ausgemustert. Deren Abwracken bereitet Probleme, weil die »heiße Zone« mangels Geld und Technologien nicht entsorgt werden kann. Viel Widersprüchliches ist über die Situation in den russischen Stützpunkten und die Arbeit auf den Werften zu hören. Angeblich, so Admiral Popow, Vizechef des Sicherheitsausschusses der Duma, hat man bereits 83 Boote verschrottet, gegenwärtig zerlege man 21.
Diese Zahlen passen nicht zu jenen, die russische Vertreter in Verhandlungen mit westlichen Staaten präsentieren. Von dort kommen - nach einem G8-Beschluss - Geld und Technologien. Neben den USA lassen sich insbesondere Russlands Nachbarn den Schutz vor den schwimmenden Tschernobyls etwas kosten. So ist Norwegen aktiv und Japan garantierte 136 Millionen Dollar. Auch Deutschland will sich beteiligen - mit 300 Millionen Euro für 120 Schrottkähne. Fachleute der Energiewerke Nord, also des ehemaligen AKW Lubmin, haben eine Technologie erprobt. Doch noch klemmt es angeblich bei der Vertragsarbeit.
Derweil baut Russland an einer neuen Serie von Atom-U-Booten. Ab 2006 soll das erste vo...

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