Begleitmusik zum Mord

Anklage: Die rechtsextreme Musikband »Landser« war kriminelle Vereinigung

Anstiftung zu Brandstiftung und Mord wirft die Staatsanwaltschaft den drei »Landsern« vor, die in Berlin vor Gericht stehen - am Montag in der 16. Verhandlungsrunde. Und die Bildung einer kriminellen Vereinigung. Eben ihrer Band, einer in der rechtsextremistischen Szene renommierten Einheiztruppe.

Der Mann mit der Tätowierung am Arm schiebt seinen Bierbauch an der Sicherheitsschleuse des Berliner Kammergerichtes vorbei. Er nimmt auf der Zuschauerbank des Gerichtssaals Platz und begrüßt seinen Nachbarn. Man kennt sich. Es ist bereits der 15. Verhandlungstag im Prozess gegen die mutmaßliche rechte Musikband »Landser«, und der findet unter reger Anteilnahme der rechten Szene statt. Fünf CDs mit Titeln wie »Republik der Strolche«, »Rock gegen oben« und »Ran an den Feind« soll diese Gruppe produziert haben. Die waren in keinem offiziellen Plattenladen zu haben, wurden aber unter der Hand auf Schulhöfen, in Jugendclubs oder auf Wochenmärkten verkauft. Das Geschäft florierte, der Verfassungsschutz bescheinigt »Landser« ein »vergleichsweise hohes musikalisches Können« und ihren CDs deshalb einen hohen Verbreitungsgrad. Für viele Jugendliche war die Musik von »Landser« und ähnlichen Bands die Einstiegsdroge in die rechte Szene. Doch ums Geschäft, um den Verkauf von CDs soll es den Bandmitgliedern nach Überzeugung der Bundesanwaltschaft gar nicht so sehr gegangen sein. Die Gruppe habe mit ihrer Musik vor allem ein Ziel verfolgt: massenhaft rechtsextreme Ideologie an jugendliche Konsumenten zu bringen, ein »Klima der Gewaltbereitschaft« bei den Zuhörern zu schaffen. In den Liedern werde zu Brandstiftung und Mord ermuntert. So steht es in der Anklageschrift. Dabei habe die Band gegen Strafgesetze verstoßen. Öffentliche Auftritte soll es kaum gegeben haben. Die Musik wurde über CD und Internet verbreitet. Geprobt hatten die Musiker an geheimen Orten im Berliner Umland. Die drei Herren auf der Anklagebank im Alter zwischen 26 und 38 Jahren sind angeklagt wegen Volksverhetzung, Verherrlichung des Nationalsozialismus, Aufstachelung zu Rassenhass und Mord und der Bildung einer kriminellen Vereinigung. Mit letzterem betritt die Anklagebehörde juristisches Neuland. Darüber ist sich Bundesanwalt Wolfgang Siegmund im klaren. Noch nie ist eine Musikgruppe als kriminelle Vereinigung angeklagt worden. Das Interesse der Ermittler erregte die Musikband in Sommer 1999. In Eggesin (Mecklenburg/Vorpommern) hatten fünf Jugendliche zwei Vietnamesen halb totgeschlagen. Während sie auf ihre Opfer einschlugen, hätten die Täter eigenen Aussagen zufolge das Landser-Lied »Fidschi, Fidschi gute Reise« gegrölt. Auch der Algerier Omar Ben Noui im brandenburgischen Guben und der Mosambikaner Alberto Adriano in Dessau starben, nachdem sich rechte Täter mit Landser-Musik in Stimmung gebracht hatten. In Berlin, Rostock oder Erfurt fühlten sich Neonazis zu Brandanschlägen ermuntert, nachdem sie auf Partys gesoffen und »Landser«-Musik gehört hatten. Diese Akten werden in den Berliner Prozess eingeführt. Alle drei Angeklagten sind in der DDR aufgewachsen, nicht unbedingt am Rande der Gesellschaft. Die Eltern waren Lehrer, gar eine Schuldirektorin ist darunter, Musiker oder Ingenieur. Im Gerichtssaal stellen sich ihre Kinder trotzdem gern als »gestrauchelte Existenzen« dar. Der Hauptangeklagte Michael R. und mutmaßliche Texter, Manager und Sänger der Band verweist gern auf seine »wegen Faulheit« abgebrochene Lehre als Schriftsetzer oder auf die Langzeitarbeitslosigkeit. Alle drei sind einschlägig vorbestraft. Wegen Verwenden von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen, Verstößen gegen das Waffengesetz, Körperverletzung, Diebstahl und Betrug etwa mussten sie wiederholt Geldstrafen hinnehmen. Ihr eigentliches Geschäft, die Musikproduktion, interessierte die Ermittler jahrelang nicht, obwohl die Musikscheiben selbst auf dem Index standen. Der Prozess gegen die Band wurde erst nach langwierigen Ermittlungen möglich. Monatelang wurden die Telefongespräche der Bandmitglieder abgehört. Dadurch erlangten Polizei und Staatsanwaltschaft Kenntnis über Mitglieder und Arbeitsweise der Band. Im Oktober 2001 nahm die Polizei die Bandmitglieder fest und durchsuchte 22 Häuser in Berlin und Brandenburg. Inzwischen sind die Männer wieder frei, weil keine Fluchtgefahr bestehe. Von den 75 benannten Zeugen wurde nach 15 Verhandlungstagen knapp ein Drittel vernommen. Mit einem Ende des Verfahrens ist deshalb erst nach Monaten oder Jahren zu rechnen, falls die Angeklagten ihr Aussageverhalten nicht ändern. Zu den Tatvorwürfen haben sie bisher geschwiegen. Lediglich zu ihrer Biografie äußerten sie sich. In den polizeilichen Vernehmungen hatten André M. und Christian W. aber Teilgeständnisse abgelegt. Sie bekannten, Mitglieder der Band zu sein, ohne weitere Namen zu nennen. Haupt...

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