»In kleinen Läden wird nichts mehr verdient!«

Mieten und die Konkurrenz der Großen - was Berlins Buchhändler belastet

  • Sybille Walter
  • Lesedauer: ca. 3.5 Min.
Sieben Jahre ist es her, dass die Buchhandlung Starick umgezogen ist - etwa 30 Meter weit vom 1991 eröffneten Eckladen am Rosenthaler Platz hinein in die Brunnenstraße. Damals wurde das Eckgebäude saniert, die Mietkosten sollten drastisch ansteigen. - Es wurden kostspielige 30 Meter: Der Umsatz der Buchhandlung, der in den ersten zwei Monaten nach dem Umzug um ein Drittel zurückgegangen war, hat sich immer noch nicht dauerhaft erholt. Gerd Gerlach, Ehemann und Geschäftspartner von Margrid Starick, nennt die Konkurrenz der Großunternehmen Dussmann (an der Friedrichstraße) und Thalia (im Gesundbrunnencenter) eine entscheidende Ursache hierfür. Die Ketten können Bücher in hohen Stückzahlen günstiger einkaufen, und sie haben einen wesentlich höheren Werbeetat für Anzeigen. So sind sie den Verlagen attraktive Partner für Veranstaltungen - und das bedeutet wiederum, dass über diese großen Buchverkaufsstellen in Zeitungen oder im Hörfunk berichtet wird. Den Buchhändler wundert nicht, dass Karin Dassler und Bärbel Hennig von der Brecht-Buchhandlung aufgegeben haben: »Das betrifft uns alle, in den kleinen Läden wird nichts mehr verdient. Bei uns geht es noch, weil unsere zweite Buchhandlung in Berlin-Schmargendorf sehr viel stabiler ist. Hier in Mitte waren die Jahre nach dem Umzug so angespannt, dass ich mich inzwischen mit der Hoffnung tröste, nach sieben schlechten Jahren muss es wieder besser werden.« - Auf die Kunden sind er und seine Frau dabei überaus gut zu sprechen. Vor allem in der Nachbarschaft hat sich die gut sortierte Buchhandlung mit ihrer freundlich-fachkundigen Beratung Freunde gesichert. Dabei gilt, so Gerd Gerlach: »Bücher sind nicht mehr preiswert. Und dennoch lesen viele Menschen, sind bereit, dafür Geld auszugeben. Wer bei uns kauft, will das Buch zumeist für sich. Der Umsatz im Bereich Belletristik, egal ob Hardcover oder Taschenbuch, und im Kinderbuch ist gut. Weniger nachgefragt werden leider Fachbücher und anspruchsvolle Sachbücher.« Umgezogen ist »Die Andere Buchhandlung« in der Friedrichshagener Bölsche-Straße erst vor kurzem. Beate Gotthardt musste die Verkaufsfläche um die Hälfte verkleinern. Der Umzug aus dem attraktiven historischen Kolonistenhaus in den sanierungsbedürftig aussehenden Altbau soll ihr beim Überleben helfen. Sie sieht im Rabattsystem der Verlage, das Großabnehmer begünstigt, die entscheidende Ursache für die Schwierigkeiten kleinerer Buchhandlungen: »Ich kann keine hohen Stückzahlen abnehmen, kann sie weder lagern, noch habe ich so viele Kunden, dass der Verkauf sicher wäre. Damit muss ich auf günstige Angebote verzichten. Die Kosten jedoch - vom Bucheinkauf, über das Porto bis zur Miete - explodieren. Wenn die Verlage hier nichts ändern, wird es bald keine kleineren Buchhandlungen mehr geben. Viele Kunden müssen dann auf persönliche Beratung verzichten.« Was sie unter persönlicher Beratung versteht, erlebe ich kurz vor unserem Gespräch: Ein Ehepaar sucht nach einer Gitarrenschule. Frau Gotthardt informiert über die verschiedenen Angebote und erklärt noch am Computer deren Vor- oder Nachteile. Ein kurzes Gespräch, in dem die Kunden sich offenbar gut beraten fühlen. Sie entscheiden sich schnell für eine Gitarrenschule mit CD, die sich an erwachsene Schüler wendet. Ein Kauf, der an der Gesamtsituation nichts ändert: Frau Gotthardt muss eingestehen, dass ihr eigenes Einkommen stetig abgenommen hat. Die Mitarbeiter, die sie in den 90er Jahren beschäftigte, sind inzwischen entlassen. Sie weiß, dass es vielen Buchhändlern so geht, zählt auf, wer schließen musste und nennt neben der Brecht-Buchhandlung in der Chausseestraße Juliettes Literatursalon in Mitte, nennt Chronika am Marheinekeplatz in Kreuzberg und etliche andere. 30 kleine Buchhandlungen haben im vergangenen Jahr in Berlin dicht gemacht, seit Januar weitere sechs, weiß Detlev Bluhm, Geschäftsführer beim Börsenverein des Deutschen Buchhandels, Landesverband Berlin-Brandenburg e. V. Als Ursache hierfür sieht er neben der allgemeinen Kaufzurückhaltung im Vorjahr, die den Buchhandel sogar weniger betraf als den Einzelhandel insgesamt, die Vergrößerung der Buchhandels-Fläche von 50000 Quadratmetern im Jahr 1996 auf 80000 Quadratmeter im Jahr 2000, veranlasst von Großunternehmen wie Hugendubel, Thalia und Dussmann. Diese Erweiterung hat keine Umsatzsteigerung gebracht, sondern lediglich eine Umverteilung - zu Lasten der kleineren Einrichtungen. Weitere Kunden schöpfen die Einkaufscenter ab mit ihrem Großangebot von Geschäften unmittelbar nebeneinander, mit Parkplätzen und anderem Service. Weder das Ehepaar Gerlach/Starick noch Beate Gotthardt haben bisher aufgegeben. Sie vertrauen ihren Stammkunden. Frau Gotthardt hofft zudem, dass ihr Schaufenster - im Kolonistenhaus gab es so etwas nicht - weiterhin Zufallskunden anlockt. Dass es sich auszahlt, wenn Bücher schon von der Straße her...

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