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- Reisen auf historischen Spuren (16)
Von Teotihuacán nach Tenochtitlan
Einmalige Monumentalbauten und Kunstwerke vor den Toren und im Zentrum von Mexiko-Stadt
Wo sind sie geblieben, die Erbauer der Tempel, Paläste und Pyramiden, der Ciudadela, der Wohnviertel und Werkstätten, die Schöpfer fantastischer Skulpturen und Wandmalereien, die Anbeter von Göttern, deren Namen so rätselhaft wie melodisch klingen? Welches Volk hat sie bewohnt, diese einmalige, von Monumentalbauten geprägte meso-amerikanische Stadt in diesem strategisch günstig gelegenen Hochtal?
Nichts weiß man von der Sprache jenes Volkes, nichts von seiner Geschichte, die bis ins 5. Jahrhundert v.u.Z. zurück reicht. Und niemand kann sagen, warum die Stadt von ihren Einwohnern verlassen worden ist, wo sie abgeblieben sind. Der Nachwelt aber haben sie das bedeutendste bauliche Ensemble aus der Geschichte der amerikanischen Völker hinterlassen: Teotihuacán.
Die Mondpyramide
Heutzutage herrscht hier stets Betrieb. Von allen Kontinenten kommen Touristen, um den Platz zu besuchen, »an dem man zum Gott wird« - etwa 50 km nordöstlich von Mexico-Stadt gelegen. Und kaum einer versäumt, die mächtige Mondpyramide zu ersteigen, die 150 mal 130 Meter an den unteren Kanten misst und 46 Meter in der Höhe. Wenn ich an meinen Aufstieg denke, kommt mir neuerdings jene Szene aus dem mexikanisch-farbigen Film »Frida« in den Sinn: Die Kahlo in Gestalt der faszinierenden Salma Hayek steht vor dem Heiligtum vergangener Zeiten und meint zu Trotzki, wenn er, ein älterer Herr, den Aufstieg unternehme, dann könne sie »als Krüppel« das wohl auch. So ist es. Niemand soll sich abschrecken lassen von der Höhe, von den steilen, stufenförmigen Absätzen. Gemächlich ist es zu schaffen. Und die Mühe lohnt.
Von der Plattform hoch oben kann man den Mondplatz gut überblicken und erahnen, was hier einst geleistet worden ist. Die Ausmaße von 204,5 mal 137 Metern, die symmetrischen Strukturen, die treppen- und pyramidenförmigen Grundmauern der Bauten sowie der verzierte Altar im Mittelpunkt und schließlich die für Prozessionen angelegte eineinhalb Kilometer lange Straße der Toten, die auf dem Mondplatz mündet - dies ist das eindruckvollste Beispiel für jenes großartige architektonische Konzept von Teotihuacán.
Der Blick von hier schweift über das Areal des heiligen Bezirks, zu den Tempeln des Quetzalcoatl und der »Gefiederten Schnecken«, zu den Palästen des Quetzalpapalotl, des Quetzalmariposa und der Jaguare, Bezeichnungen aus unterschiedlichen Sprachen und Zeiten, alle aber für bedeutende Götter, Herrscher und Priester stehend. Er schweift zur gigantischen Sonnenpyramide, die so ausgeklügelt angelegt ist, dass die Sonne am Tag der Sommersonnenwende genau gegenüber der Frontseite untergeht.
Weit ins Land kann man schauen, hinaus über den heiligen Bezirk, der mit gut vier Quadratkilometern Fläche nur einen Teil dieser ersten Stadt im Hochtal von Mexiko eingenommen hat, während heutzutage die archäologische Zone schon etwa 20 Quadratmeter ausmacht. Teotihuacán mag, nach Berechnungen der Forscher, in ihrer Blütezeit - zwischen 200 und 450 u.Z. - bis zu 200 000 Einwohnern gehabt haben. Mehr als vierhundert Werkstätten sind freigelegt worden. Da wurden Obsidian bearbeitet, Steine, Basalt, Ton, Muscheln, auch Textilien in vielerlei Form. Das exzellente Museum von Teotihuacán gibt darüber genaue Auskunft.
Stadt der Azteken
Als die Azteken, von Norden kommend, nach einer 200 Jahre währenden Reise im 12. Jahrhundert in Mexiko eintrafen, da war Teotihuacán bereits rund ein halbes Jahrtausend ausgestorben. Was sie vorfanden, war eine Geisterstadt. Das Zentrum ihrer Siedlung aber legten sie dort an, wo sie das erwartete Zeichen erblickten: Einen Adler, der auf einem Kaktus sitzt und eine Schlange frisst. An diesem Ort errichteten die Azteken - die sich Mexika nannten - ihren ersten Tempel. Von diesem Ort entwickelten sie ihr mächtiges Reich mit der Hauptstadt Tenochtitlan, hier herrschte beim spanischen Einfall der legendäre Motecuhzoma (oft fälschlich Montezuma genannt).
Was aus ihnen geworden ist, das weiß man nur zu gut. Ihr Schicksal war besiegelt, als der goldgierige, von papistischem Missionseifer besessene Spanier Hernán Cortés am 21. April 1519 mit seiner Abenteurerhorde an der Küste des heutigen Vera Cruz im Herrschaftsgebiet der Azteken anlandete. Zwei Jahre darauf, nach dreimonatiger Belagerung und heldenhaftem Kampf der Verteidiger, war das blühende Tenochtitlan erobert und verwüstet. »Man konnte den Fuß nicht aufsetzen, ohne auf den Leichnam eines Indianers zu treten«, berichtete Cortés hinterher.
Platz der Drei Kulturen
Im Zentrum von Mexiko-Stadt, auf dem Platz der Drei Kulturen (aztekische, spanische, mexikanische) im Stadtteil Tlatelolco - benannt wie jenes berühmte Handelszentrum, einst ein Widerpart von Tenochtitlan und wo unter Motecuhsoma-Nachfolger Cuauhtémoc die letzte Schlacht stattfand - erinnert eine Gedenktafel: »Am 13. August 1521 fiel das von Cuauhtémoc heldenhaft verteidigte Tlatelolco in die Hände von Hernán Cortés. Es war weder Triumph noch Niederlage. Es war die schmerzhafte Geburtsstunde des heutigen Mexiko, eines Volkes von Mestizen.« Hier wird nach Spuren der Azteken gegraben.
Auf den Trümmern der Metropole des Aztekenreiches pulsiert heute das quirlige Leben der mexikanischen Metropole mit über 20 Millionen Einwohnern. Und auch auf dem Zócalo, dem größten Platz inmitten der großen Stadt, auf dem täglich eine überdimensionale mexikanische Nationalfahne aufgezogen wird, werden seit Jahrzehnten neue überraschende Funde gemacht, die weiteren Aufschluss geben über das Leben in Tenochtitlan. Freigelegt wurden u. a. der Haupttempel, von der Wissenschaft als Templo Mayor bezeichnet, ein Tempel mit Wandgemälde des Regengottes Tlaloc, Schmuck und Masken, Statuen, Votiv- und Weihgefäße aus der schier unübersichtlichen Zahl der Götter, denen die Azteken huldigten.
Das gerade vor fünfzehn Jahren eröffnete Museo del Templo Mayor zeigt viele der neuesten Funde. Keineswegs jedoch darf ein Besuch des Museo Nacional de Antropologia in der mexikanischen Hauptstadt ausgelassen werden. Es ist eines der außergewöhnlichsten Museen dieser Erde, ein Kunstwerk der Architektur.
Informationen: Mexikanisches Fremdenverkehrsbüro, Taunusanlage 21, 60325 Frankfurt/Main; Tel: 0800 1823553 - kostenlose Informatio...
Nichts weiß man von der Sprache jenes Volkes, nichts von seiner Geschichte, die bis ins 5. Jahrhundert v.u.Z. zurück reicht. Und niemand kann sagen, warum die Stadt von ihren Einwohnern verlassen worden ist, wo sie abgeblieben sind. Der Nachwelt aber haben sie das bedeutendste bauliche Ensemble aus der Geschichte der amerikanischen Völker hinterlassen: Teotihuacán.
Die Mondpyramide
Heutzutage herrscht hier stets Betrieb. Von allen Kontinenten kommen Touristen, um den Platz zu besuchen, »an dem man zum Gott wird« - etwa 50 km nordöstlich von Mexico-Stadt gelegen. Und kaum einer versäumt, die mächtige Mondpyramide zu ersteigen, die 150 mal 130 Meter an den unteren Kanten misst und 46 Meter in der Höhe. Wenn ich an meinen Aufstieg denke, kommt mir neuerdings jene Szene aus dem mexikanisch-farbigen Film »Frida« in den Sinn: Die Kahlo in Gestalt der faszinierenden Salma Hayek steht vor dem Heiligtum vergangener Zeiten und meint zu Trotzki, wenn er, ein älterer Herr, den Aufstieg unternehme, dann könne sie »als Krüppel« das wohl auch. So ist es. Niemand soll sich abschrecken lassen von der Höhe, von den steilen, stufenförmigen Absätzen. Gemächlich ist es zu schaffen. Und die Mühe lohnt.
Von der Plattform hoch oben kann man den Mondplatz gut überblicken und erahnen, was hier einst geleistet worden ist. Die Ausmaße von 204,5 mal 137 Metern, die symmetrischen Strukturen, die treppen- und pyramidenförmigen Grundmauern der Bauten sowie der verzierte Altar im Mittelpunkt und schließlich die für Prozessionen angelegte eineinhalb Kilometer lange Straße der Toten, die auf dem Mondplatz mündet - dies ist das eindruckvollste Beispiel für jenes großartige architektonische Konzept von Teotihuacán.
Der Blick von hier schweift über das Areal des heiligen Bezirks, zu den Tempeln des Quetzalcoatl und der »Gefiederten Schnecken«, zu den Palästen des Quetzalpapalotl, des Quetzalmariposa und der Jaguare, Bezeichnungen aus unterschiedlichen Sprachen und Zeiten, alle aber für bedeutende Götter, Herrscher und Priester stehend. Er schweift zur gigantischen Sonnenpyramide, die so ausgeklügelt angelegt ist, dass die Sonne am Tag der Sommersonnenwende genau gegenüber der Frontseite untergeht.
Weit ins Land kann man schauen, hinaus über den heiligen Bezirk, der mit gut vier Quadratkilometern Fläche nur einen Teil dieser ersten Stadt im Hochtal von Mexiko eingenommen hat, während heutzutage die archäologische Zone schon etwa 20 Quadratmeter ausmacht. Teotihuacán mag, nach Berechnungen der Forscher, in ihrer Blütezeit - zwischen 200 und 450 u.Z. - bis zu 200 000 Einwohnern gehabt haben. Mehr als vierhundert Werkstätten sind freigelegt worden. Da wurden Obsidian bearbeitet, Steine, Basalt, Ton, Muscheln, auch Textilien in vielerlei Form. Das exzellente Museum von Teotihuacán gibt darüber genaue Auskunft.
Stadt der Azteken
Als die Azteken, von Norden kommend, nach einer 200 Jahre währenden Reise im 12. Jahrhundert in Mexiko eintrafen, da war Teotihuacán bereits rund ein halbes Jahrtausend ausgestorben. Was sie vorfanden, war eine Geisterstadt. Das Zentrum ihrer Siedlung aber legten sie dort an, wo sie das erwartete Zeichen erblickten: Einen Adler, der auf einem Kaktus sitzt und eine Schlange frisst. An diesem Ort errichteten die Azteken - die sich Mexika nannten - ihren ersten Tempel. Von diesem Ort entwickelten sie ihr mächtiges Reich mit der Hauptstadt Tenochtitlan, hier herrschte beim spanischen Einfall der legendäre Motecuhzoma (oft fälschlich Montezuma genannt).
Was aus ihnen geworden ist, das weiß man nur zu gut. Ihr Schicksal war besiegelt, als der goldgierige, von papistischem Missionseifer besessene Spanier Hernán Cortés am 21. April 1519 mit seiner Abenteurerhorde an der Küste des heutigen Vera Cruz im Herrschaftsgebiet der Azteken anlandete. Zwei Jahre darauf, nach dreimonatiger Belagerung und heldenhaftem Kampf der Verteidiger, war das blühende Tenochtitlan erobert und verwüstet. »Man konnte den Fuß nicht aufsetzen, ohne auf den Leichnam eines Indianers zu treten«, berichtete Cortés hinterher.
Platz der Drei Kulturen
Im Zentrum von Mexiko-Stadt, auf dem Platz der Drei Kulturen (aztekische, spanische, mexikanische) im Stadtteil Tlatelolco - benannt wie jenes berühmte Handelszentrum, einst ein Widerpart von Tenochtitlan und wo unter Motecuhsoma-Nachfolger Cuauhtémoc die letzte Schlacht stattfand - erinnert eine Gedenktafel: »Am 13. August 1521 fiel das von Cuauhtémoc heldenhaft verteidigte Tlatelolco in die Hände von Hernán Cortés. Es war weder Triumph noch Niederlage. Es war die schmerzhafte Geburtsstunde des heutigen Mexiko, eines Volkes von Mestizen.« Hier wird nach Spuren der Azteken gegraben.
Auf den Trümmern der Metropole des Aztekenreiches pulsiert heute das quirlige Leben der mexikanischen Metropole mit über 20 Millionen Einwohnern. Und auch auf dem Zócalo, dem größten Platz inmitten der großen Stadt, auf dem täglich eine überdimensionale mexikanische Nationalfahne aufgezogen wird, werden seit Jahrzehnten neue überraschende Funde gemacht, die weiteren Aufschluss geben über das Leben in Tenochtitlan. Freigelegt wurden u. a. der Haupttempel, von der Wissenschaft als Templo Mayor bezeichnet, ein Tempel mit Wandgemälde des Regengottes Tlaloc, Schmuck und Masken, Statuen, Votiv- und Weihgefäße aus der schier unübersichtlichen Zahl der Götter, denen die Azteken huldigten.
Das gerade vor fünfzehn Jahren eröffnete Museo del Templo Mayor zeigt viele der neuesten Funde. Keineswegs jedoch darf ein Besuch des Museo Nacional de Antropologia in der mexikanischen Hauptstadt ausgelassen werden. Es ist eines der außergewöhnlichsten Museen dieser Erde, ein Kunstwerk der Architektur.
Informationen: Mexikanisches Fremdenverkehrsbüro, Taunusanlage 21, 60325 Frankfurt/Main; Tel: 0800 1823553 - kostenlose Informatio...
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