Lernprozess von »oben« und »unten«

PDS-Landesparteitag Berlin in Auseinandersetzung um rot-rote Entscheidungen

Zu einem Arbeitsparteitag waren die 111 anwesenden Delegierten der 11000 Berliner PDS-Mitglieder am Sonntag aufgerufen. Angeregt von der Basis, sollte das Profil der PDS in der rot-roten Koalition geschärft werden. In der ersten Reihe angespannte Gesichter: Die Senatoren Heidi Knake-Werner, Thomas Flierl und Harald Wolf sowie der Landes- und Fraktionsvorsitzende Stefan Liebich und weitere Fraktionsmitglieder in Erwartung geharnischter Basiskritik an Rot-Rot, Bundesvorsitzender Lothar Bisky vor der x-ten Auseinandersetzung um den Programmentwurf, die MdB Gesine Lötzsch und Petra Pau irgendwie allein, und doch zu Hause. Bisky warb zunächst als Gastredner für den Programmentwurf: »Wir diskutieren jetzt über den Text des Leitantrags, nicht über Interpretationen zum Text, Vermutungen und Überschriften.« Das Programm sei kein Warenhauskatalog diverser Positionen, die sich als links bezeichnen, sondern eine Mehrheitsauffassung der PDS, sagte Bisky. »Mit einer wirklichkeitstauglichen Verbindung von Programmatik und Politik haben wir auch die Chance, in der Öffentlichkeit als PDS erkennbar zu sein.« Als Lernprozess für die ganze Partei bezeichnete der Bundesvorsitzende die Auseinandersetzung mit Ergebnissen und Problemen rot-roter Regierungskoalitionen. Dies müsse »mit mehr Information und Wissen, mit mehr Verständnis und mit solidarischer Kritik« geschehen. Wie mache man bei einem Konsolidierungskurs wie in Berlin sozialistische Politik darstellbar, fragte Bisky, der die auch in der PDS strittige Erhöhung der Kita-Gebühren ein Beispiel für den Weg sozial gerechter Haushaltskonsolidierung nannte. »Wir wollen mit unserer Politik wieder Boden unter die Füße kriegen und Zukunft gewinnen«, verteidigte Stefan Liebich die Arbeit des kleineren Koalitionspartners. Berlin müsse aus eigener Kraft die Ausgaben um 2,5 Milliarden Euro senken, um vor dem Bundesverfassungsgericht die Entschuldung Berlins durch den Bund zu erreichen. Bei den Verhandlungen zum Doppelhaushalt 2004/5 hätten die PDS-Senatoren Angriffe im Sozialbereich abgewehrt, so liege ein Paket vor, »das zwar Reduzierungen beinhaltet, aber die soziale Stadt Berlin in der Substanz bewahrt«. Das Gesamtpaket wieder aufzuschnüren und sich dadurch ein insgesamt besseres Ergebnis zu erhoffen, sei trügerisch, warnte Liebich. Als unsozial kritisierte der Berliner Blindenverband, der mit einer Abordnung auf dem Parteitag begrüßt wurde, die geplante Kürzung ihres Blindengeldes. Dietmar Gasch verwies auf 30000 Unterschriften, die eine Rücknahme dieser Entscheidung fordern. Das Blindengeld sei in einer Stadt wie Berlin mit viel Verkehr und unzähligen Baustellen lebensnotwendig, die bessere Ausstattung als in anderen Bundesländern gerechtfertigt. In der Debatte begründete Dagmar Pohle, Sozialstadträtin in Marzahn-Hellersdorf, ihren Antrag, die Reduzierung des Blindengeldes zu verhindern, mit den Worten: »Es geht um Bürgerrechtspolitik«. Die Abgeordnete Ingeborg Simon assistierte: Solidarität habe einen hohen Stellenwert, die PDS müsse ihre politische Haltung überdenken, wie wichtig ihr wesentliche Ziele sind. Die Senatoren, von Teilen der Basis in eine Verteidigungsrolle gedrängt, verwiesen auf den Anteil von PDS-Politik in der rot-roten Koalition. Harald Wolf, Senator für Wirtschaft, Arbeit und Frauen, forderte Unterstützung ein. Positive Botschaften und Erfolge sollte die Berliner PDS sich nicht selbst kaputt reden. Der SPD-Finanzsenator habe alle freiwilligen sozialen Leistungen der öffentlichen Hand ganz oben auf seiner Streichliste, erinnerte Heidi Knake-Werner, Senatorin für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz, und verwies auf viele Angriffe, die von der PDS abgewehrt werden konnten. Dass ein Studienkontenmodell besser wäre als Studiengebühren, und zwar für Lernende wie Lehrende, legte Wissenschafts- und Kultursenator Thomas Flierl dar. In der stark emotional geprägten Debatte um die geplante Erhöhung der Kitakostenbeteiligung ging die Front quer durch den Parteitag. Renate Herranen, die in einer Kita arbeitet, begründete ihre Forderung nach Ablehnung mit wiederholter Belastung Berliner Eltern. Eine solche Entscheidung sei »sozialpolitisch nicht tragbar und bildungspolitisch falsch«. Mit einem Betreuungsgrad der Kinder von über 60 Prozent sei Berlin nicht vergleichbar mit vielen anderen Bundesländern, meinte der Abgeordnete Gernot Klemm. der die gestaffelte Kostenerhöhung nach Einkommen verteidigte. Ellen Brombacher von der Kommunistischen Plattform berichtete von einer Eltern-Demo am Vortag vor dem Roten Rathaus: »Unsere Glaubwürdigkeit ist geschrumpft.« MdA Michael Nelken nannte als Fakten: Familien mit mehreren Kindern...

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