Eine notwendige Einmischung

Das Netzwerk der Korruption - von Peter Eigen beschrieben

  • Werner Rügemer
  • Lesedauer: ca. 4.0 Min.
Einen persönlichen Einblick in die Geschichte von Transparency International (TI), der erfolgreichen Anti-Korruptions-Organisation, gibt Peter Eigen, deren Gründer. 1968 war er in die Weltbank eingetreten, weil er etwas gegen die Ungerechtigkeiten in der Dritten Welt tun wollte. Als Abteilungsleiter für Südamerika und dann Ostafrika erlebte er tägliche Korruption großen Ausmaßes; er gründete eine task force zur Bekämpfung der Korruption. Doch sein Arbeitgeber verbot dies als satzungswidrige »Einmischung in die inneren Angelegenheiten« der kreditnehmenden Staaten. Eigen gründete dann eine private Arbeitsgruppe - sie wurde vom damaligen Weltbank-Präsidenten ebenfalls verboten, wobei das deutsche Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit in die gleiche Kerbe schlug. »Innerhalb der Weltbank waren mir die Hände gebunden. Ich musste sie verlassen.« 1993 gegründet, hat TI inzwischen 100 nationale Sektionen. Über die zwei OECD-Konventionen zur Strafbarkeit der Bestechung ausländischer Amtsträger und zur Abschaffung der steuerlichen Begünstigung von Bestechungsgeldern hat TI in den wichtigsten Industriestaaten eine neue Gesetzgebung mitbefördert. Der von TI jährlich erstellte Korruption-Index (Corruption Perception Index, fragt nach der Empfängerseite) wird weltweit beachtet. TI bekam Preise (u.a. der Bertelsmann-Stiftung, dotiert mit 150000 Euro) und vergibt selbst jährliche »Integrity Awards« (Auszeichnungen für integres Verhalten) an mutige Staatsanwälte und »whistleblowers« (Informationsgeber). Die UNO wurde wichtiger Verbündeter, der neue Weltbankpräsident James Wolfensohn - er hat zum Buch ein Nachwort beigesteuert - zieht TI zur Beratung heran. Bei der WTO ist TI allerdings (noch?) auf Desinteresse gestoßen. Eigen schildert, wie er nun bei Gipfeltreffen die Mächtigen der Welt trifft, etwa beim Weltwirtschafts-Forum in Davos. Ob das unmerklich den Blick verengt? Eigen kritisiert »die Gewalt der Demonstrierenden«. Dass Zehntausende sich in Davos und bei anderen Gipfeln gewaltlos zu Konferenzen treffen und Alternativen entwickeln, erwähnt er nicht. Eigen wiederholt zwar die Erkenntnis, dass die »transnationale Korruption« von den Industriestaaten ausgeht und dass in den reichen Ländern auch eine »beängstigende Binnenkorruption« herrscht. Doch mit Namen und Empörung nennt er nur »korrupte Potentaten« in armen Staaten, nicht die Bestecher aus den reichen Ländern. Es wäre nicht das erste Mal, dass eine erfolgreiche Nicht-Regierungs-Organisation (NGO), als die auch TI sich begreift, aus zunächst vertretbaren Kompromissen heraus auf eine Bahn gerät, in der die ursprünglichen Ziele verloren gehen. Es kann auch daran liegen, dass sich das Aktionsfeld aus der Logik der Sache erweitert, aber die Kompetenzen nicht ausreichen und die Profis der Gegenseite die Oberhand behalten. So ist es TI offensichtlich beim Problem Geldwäsche ergangen. In TI wuchs die Erkenntnis, dass Korruptionsgelder häufig auf dem Wege der Geldwäsche bereitgestellt werden oder nach Empfang gewaschen werden. So war es etwa mit den mehreren Milliarden Dollar, die von westlichen Unternehmen an den nigerianischen Diktator Abacha gezahlt wurden und die dann über Banken in Deutschland, Liechtenstein, Großbritannien und in den USA angelegt wurden. Und dann welch hübscher Zufall: »Es begann im Januar 1998 im Schnee von Davos, als mich Shaukat Aziz, der rührige Generaldirektor der Privatbankenabteilung von Citibank, darauf ansprach, ob wir nicht mit seiner Bank und einigen anderen Geldhäusern eine Initiative gegen Geldwäsche einläuten könnten.« Es mag verführerisch sein, beim Skifahren in Davos so nebenbei die Welt zu verbessern. Drei Monate später traf TI mit elf der größten Banken - darunter Deutsche Bank, Citibank, Crédit Suisse, ABN AMRO, Chase Manhattan - eine Vereinbarung gegen Geldwäsche, die »Wolfsberg-Erklärung«. Danach sollen die Banken keine Beziehungen zu »Briefkastenbanken« aufnehmen. Freilich wird eine Ausnahme gemacht, wenn die Briefkastenbank eine »regulierte Tochtergesellschaft« einer regulären Bank ist. Dies kommt den großen Banken entgegen, die heute die offshore-Bankparadiese extensiv nutzen. So hat allein die Deutsche Bank 350 Tochtergesellschaften auf den Cayman Islands. Zudem ermöglichen es die internationalen Clearing-Banken Clearstream (Luxemburg) und Euroclear (Brüssel), dass nichtregulierte Briefkastenbanken Beziehungen zu »regulären« Banken und Unternehmen unterhalten. In den Verwaltungsräten von Clearstream und Euroclear sitzen aber auch die Banken der Wolfsberg-Gruppe und brechen damit täglich ihre mit TI geschlossene Vereinbarung. Wenn es um die USA geht, wird Eigen recht ungenau. Er kritisiert das inzwischen bankrotte US-Unternehmen Enron, das 5,95 Millionen Dollar an die beiden großen US-Parteien gezahlt und die Bilanzen »gefälscht« habe. Er lobt die beiden vom US-Kongress danach verabschiedeten Gesetze gegen Bilanzfälschung und zur Parteienfinanzierung. Er erwähnt freilich nicht, dass solche Zahlungen wie von Enron schon damals legal waren und es auch weiter sind, und dass die »kreative Buchführung« wie die des Enron-Wirtschaftsprüfers Arthur Andersen schon damals legal war und auch jetzt weiterhin Teil der US-Bilanzregeln »General Accepted Accounting Principles« (GAAP) ist. Enron und Andersen waren übrigens Großspender und korporative Mitglieder von TI-USA. Hätte da um der eignen Glaubwürdigkeit willen nicht wenigs...

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