Vergessene Frauen von Buchenwald

Dokumentation über Ausbeutung in der Rüstung

  • Peter Liebers, Weimar
  • Lesedauer: ca. 2.0 Min.

»Vergessene Frauen von Buchenwald« ist der Titel einer am Sonnabend in der Gedenkstätte Buchenwald eröffneten Ausstellung, in der die Ausbeutung weiblicher Häftlinge in der deutschen Rüstungsindustrie dokumentiert wird.

Frauenporträts leiten die Besucher in die Ausstellung in der einstigen Häftlingskantine. Hier wird man mit Lebensläufen von 24 Frauen bekannt gemacht. Dazu steht eine knappe Dokumentation des Zusammenspiels von SS und Rüstungsindustrie. Das hat für über 27000 Frauen und Mädchen aus Deutschland und 18 weiteren Ländern Europas in den Außenkommandos von Buchenwald 1944 begonnen. Diese Zwangsarbeit für den totalen Krieg sei bis 1990 weder in der Bundesrepublik noch in der DDR ein Thema gewesen, stellte der Direktor der Gedenkstätte, Volkhard Knigge, fest. Diese »außerordentliche Verzögerung« sei der Abwehr geschuldet, die »Verschichtung von Rüstungsindustrie, KZ-System und ziviler Umgebung konkret zur Kenntnis zu nehmen«. Zu den Industriebetrieben, an die die Frauen von der SS vermietet worden seien, hätten immerhin namhafte Firmen gehört wie BMW, Krupp oder die Hugo-Schneider-AG, die schon 1936 vom Lampen- zum Rüstungsproduzenten mutiert war und allein 10000 Zwangsarbeiter beschäftigt hatte. In sechsjähriger Arbeit hatten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gedenkstätte die Namen von 20000 »Buchenwalderinnen« ermittelt, darunter die von mindestens 328 in den Lagern Umgekommenen, zu denen nachweislich sieben Kleinkinder gehörten. Die Ausstellung bewahre vor der Gefahr, dass die Tausende menschlicher Schicksale einer traurigen, aber kalten Statistik überlassen werden, betonte Thüringens Wissenschaftsministerin Dagmar Schipanski. Auf dem »verfluchten Ettersberg« hätten sie nicht gewusst, dass die SS-Verwaltung des Lagers auch junge Mädchen und Frauen kontrollierte, ausbeutete, misshandelte und tötete, stellte der Ehrenpräsident des Internationalen Komitees Buchenwald-Dora und Kommandos, Pierre Durand, fest. Immerhin hätten sie aber gewusst, dass es auch deportierte Frauen gegeben habe. Die hätten eine Hölle durchlebt, die naturgemäß noch schrecklicher war als die der männlichen Häftlinge. Die örtliche Bevölkerung habe in ihnen Verbrecherinnen und Prostituierte gesehen, berichtete die Polin Danuta Brzosko-Medryk, die zu den Überlebenden der Zwangsarbeit gehört. Wenn überhaupt eine Differenzierung möglich sei, dann erweise sich das Schicksal der Frauen aus der Sowjetunion als besonders bedrückend, betonte Knigge. Das bestätigte Aleksandra Pawlowna Lawriz aus Dnepropedrowsk. Es sei unmöglich ihre Gefühle auszudrücken, sagte sie dem ND. Sie war 1945 nach der Rückkehr aus deutscher Lagerhaft wie viele ihrer Leidensgefährtinnen vom KGB verhört, als Verräterin der Heimat beschimpft und bis 1946 in einem sowjetischen Arbeitslager gefangen gehalten worden. Anschließend musste sie lange kämpfen, um eine Arbeit zu erhalten. Jetzt bangt sie um das Leben ihres einzigen Sohnes, der strahlenkrank ist, seit er zur Havariebeseitigung in Tschernobyl eingesetzt war. Sie könne das Grauen nicht vergessen, berichtete Hildegard Franz aus Tübingen. Als Angehörige der Sinti war sie zur Zwangsarbeit nach Ravensbrück verschleppt worden. Nach langem Kampf gegen die Bürokratie erhielt sie in der BRD für 25 Monate Lagerhaft 3 750 Mark Entschädigung un...

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