Von Fallobst, Laub und Wurzeln »des Anstoßes«

Nachbarschaft ist kein rechtsfreier Raum. Auch hier hilft es, informiert zu sein. Wer weiß, wie Recht und Gesetz die Nachbarschaft sehen, kann durch richtiges und rechtmäßiges Verhalten Konflikte von vornherein vermeiden. Und er kann sich notfalls zur Wehr setzen.
Überhang und Wurzeln: Auch wenn die Pflanze den für sie geforderten Grenzabstand wahrt, kann sie im Laufe der Zeit über die Grenze ins Nachbargrundstück wachsen. Das geschieht oberirdisch durch überhängende Zweige oder unterirdisch durch hinüberwachsende Wurzeln. Grundsätzlich muss der Nachbar nach Auskunft der ARAG-Experten weder die Zweige noch die Wurzeln dulden. § 910 BGB bestimmt, dass er beides abschneiden und sogar behalten darf.
Doch keine Regel ohne Ausnahmen: Wer sich durch überhängende Zweige gestört fühlt, muss vorher dem Eigentümer der Pflanze eine angemessene Frist zur Beseitigung der herüberragenden Zweige setzen. Erst wenn innerhalb der Frist nichts geschieht, darf der Nachbar zur Selbsthilfe greifen. Die Frist darf den Eigentümer der Pflanze auch nicht dazu zwingen, innerhalb der Wachstumsperiode (16. März bis 30. September) tätig zu werden.
Bei Wurzeln, die das nachbarliche Grundstück beeinträchtigen, fordert das Gesetz eine derartige Frist nicht. Doch das Ziel muss sein, die störenden Wurzeln ohne Schädigung der Pflanze vorsichtig und fachgerecht zu entfernen. Auch hier sollte nicht innerhalb der Wachstumsperiode zur Gartenschere gegriffen werden. Entstehen Schäden an der Pflanze, kann ein Schadenersatzanspruch des Pflanzeneigentümers in Betracht kommen, wenn er keine Gelegenheit hatte, selbst einzuschreiten.
Die Beseitigung von Zweigen und Wurzeln darf nur verlangt werden, wenn sie die Benutzung des Grundstücks beeinträchtigen. Dies gilt nicht, wenn sich die Pflanze mit herüberwachsenden Wurzeln auch beim Nachbarn mit Nährstoffen versorgt. Wenn allerdings Wurzeln Terrassen oder Wege beschädigen oder Rasen aufwerfen, dann ist eine Beeinträchtigung deutlich.
Giftige Pflanzen: Eine Beeinträchtigung liegt natürlich auch dann vor, wenn eine Nutzung des betroffenen Grundstückes nicht mehr möglich ist, weil z. B. giftige Pflanzen wie die Eibe ihre Zweige in Nachbars Garten strecken. Ein Vergiftungsrisiko für Kinder oder Tiere muss ein betroffener Nachbar nicht tragen. In derartigen Fällen, in denen sich Schäden oder Gefahren abzeichnen, sollten Betroffene tätig werden und sich an den Eigentümer der Pflanze wenden. Tun sie es nicht, kann dies zu einer Minderung ihrer Schadenersatzansprüche wegen Mitverschulden führen, wenn ein vorhersehbarer Schaden eintritt.
Fallobst: Auch um das Schicksal von Fallobst kümmert sich das BGB (§ 911). Obst, was von überhängenden Zweigen direkt in Nachbars Garten fällt oder wegen der Hanglage eines steilen Grundstücks dorthin rollt (so genannter Überfall oder Hinüberfall), gehört dem Eigentümer des Grundstücks, auf dem es gelandet ist. Er darf jedoch nicht nachhelfen, dass das fremde Obst bei ihm landet, beispielsweise den Baum schütteln. Wer sich nicht daran hält, muss die Ernte herausgeben. Umgekehrt darf der Baumeigentümer sein Obst zwar pflücken, dabei aber nicht das Grundstück des Nachbarn betreten. Obst, das auf öffentliche Wege fällt, gehört übrigens nicht der Gemeinde, sondern steht weiterhin dem Eigentümer des Baumes zu.
Laubfall: Etwas schwieriger als die Frage nach dem Eigentümer von Fallobst ist die andere Frage zu beantworten, ob sich ein Nachbar dagegen wehren kann, dass benachbarte Bäume und Sträucher Laub, Blüten, Nadeln und Äste auf sein Grundstück abwerfen. Eine speziell auf diesen Fall zugeschnittene Rechtsnorm gibt es nicht. Doch ein Grundstückseigentümer kann sich gegen Laub- und Nadelfall nur wehren, wenn er dadurch in der Benutzung seines Grundstückes wesentlich beeinträchtigt wird. Außerdem muss die Beeinträchtigung durch eine nicht mehr ortsübliche Nutzung des Nachbargrundstücks (z. B. eine Baumschule) verursacht sein. Ansonsten kann ein Beseitigungsanspruch nur geltend gemacht werden, wenn die Laubansammlung mit wirtschaftlich zumutbaren Maßnahmen beseitigt werden könnte, der Nachbar sich aber weigert.
Wo der Grundstückseigentümer eine wesentliche Beeinträchtigung dulden muss, kann allenfalls ein Anspruch gegen den Nachbarn auf eine so genannte Laubrente - die Zahlung eines jährlichen Geldbetrages als Entschädigung für den Reinigungsaufwand - entstehen. Jede Ansammlung - d. h. spürbare Mengen - von Laub, Blüten usw. aus Nachbars Garten auf dem eigenen Grundstück stellen zwar eine Eigentumsbeeinträchtigung dar, müssen aber erduldet werden, so lange die Nutzung des eigenen Grundstücks nicht wesentlich erschwert wird.
Keine Chance - auch nicht auf Zahlung einer Laubrente - besteht für Betroffene, wenn der störende Baum von einer Baumschutzverordnung erfasst wird. Das öffentliche Recht mutet es Eigentümern und Dritten zu, alle Auswirkungen des geschützten Baumes zu ertragen. So muss auch eine versto...

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