- Kultur
- Tahiti
Umweltschutz im Paradies
Sie gelten als Paradies mit Sonne, Palmenstränden und schönen Frauen. Doch die Probleme der Neuzeit haben Französisch-Polynesien und seine bekanntesten Inseln Tahiti, Moorea und Bora-Bora längst erreicht.
Bulldozer sind meine größten Feinde«, sagt die 72-jährige Christa Teihotu und ist bei ihrem Lieblingsthema. Die Inseln Tahitis haben nur einen schmalen, flachen Küstenstreifen, dahinter steigen steil die Vulkanberge an. Die schroffe Bergwelt hinter dem Palmenstrand macht einen Großteil des Reizes der Inseln aus, bewirkt aber, dass für Besiedlung und Landwirtschaft wenig Platz ist. Die Hänge werden deshalb vielerorts abgegraben, Terrassen angelegt, oftmals ohne Genehmigung und ohne Sachverstand. Denn starke Regenfälle spülen die nackte Erde in die Lagune, deren Korallenwelt unter einer Schlammschicht begraben wird und abstirbt. »In meiner Jugend war die Cooks-Bay auf Moorea voll von bunten Fischen, heute ist die Bucht ökologisch tot«, klagt Christa Teihotu. Sie fordert eine starke Beschränkung der Erdarbeiten und eine fachgerechte Ausführung, um weiteren Schaden zu vermeiden. Christa stammt von deutschen Einwanderern ab. Sie kennt die westlich-rationale Denkweise, versteht aber auch die mehr emotionale Sicht der Polynesier. Als Mittlerin zwischen den Welten wurde sie zur Präsidentin des Umweltdachverbandes Aimeho Tou Ora (»Die Insel gibt mir Leben«) gewählt. Einen spektakulären Erfolg hat der Verband schon erreicht: Im Frühjahr 2000 sollte der Lagune von Moorea Sand entnommen werden, um den Strand vor einem im Bau befindlichen Hotel zu verschönern. Ein großer Lagunenabschnitt wäre dabei zerstört worden. Drei Monate lang blockierten 200 Aktivisten mit ihren Kanus das Baggerschiff. Das Hotel verklagte die Umweltschützer auf Schadenersatz, doch die hatten einen cleveren Anwalt, der mehrere Formfehler in der Abbaugenehmigung fand, die schließlich widerrufen wurde. Der Sand musste etwas teurer von einer Sandgrube im Landesinneren bezogen werden, die Lagune blieb unangetastet. »Als nächstes Projekt werden wir eine Sprachschule für unsere Jugend eröffnen«, berichtet Maurice Rurua, Sprecher des örtlichen Umweltvereins Pihaena Te Toa Mata Ara (»Der Krieger aus Pihaena hält die Augen offen«). Den Zusammenhang zwischen Naturschutz und Sprache macht Christa Teihotu deutlich. »Das Leben besteht nicht nur aus Arbeit. Das Leben ist auch ganz ohne Arbeit im westlichen Sinn möglich«, sagt sie. In der Tat würden im tropischen Klima Tahitis Obst und Gemüse ohne großen Aufwand wachsen, und die Lagune könnte genügend Fisch liefern. Bis in die 60er Jahre hatten sich die Tahitianer selbst versorgt, erst als im Zuge der französischen Atomversuche auf Moruroa tausende von Arbeitsplätzen geschaffen wurden, geriet die alte Lebensweise in Vergessenheit. »Wir möchten unseren Kindern die Möglichkeit geben, zu leben wie ihre Vorfahren, ohne den Arbeitsstress der westlichen Gesellschaft. Dazu ist eine intakte Umwelt notwendig, aber auch die Kenntnis der alten Naturkultur. Doch ohne die tahitianische Sprache bleibt der Zugang zur Maohi-Kultur verschlossen«, erläutert Christa Teihotu. Die heutige Jugend hat die tahitianische Sprache kaum mehr gelernt, denn sie wurde von den Kolonialherren lange Zeit als minderwertig verachtet, in den Schulen war sie verboten. So ist eine Generation herangewachsen, die wenig von der alten Kultur weiß, aber auch keinen Platz in der Neuzeit findet, denn die Arbeitsplätze des Atomversuchszentrums gibt es nicht mehr. Am Rande von Tahitis Hauptstadt Papeete breiten sich Slums aus, Alkoholismus und Drogensucht sind an der Tagesordnung. »Die Jugend verliert neben der Sprache auch die körperliche Sensibilität und die tahitianische Denkweise«, bedauert die Umweltaktivistin. Die einheimischen Politiker setzen mittlerweile auf Kooperation mit dem Umweltverband. Ihnen geht es aber weniger um die manchmal naiv-idealistischen Handlungsgründe der Aktivisten als um wirtschaftliche Interessen. Der Tourismus, die Einnahmequelle der Zukunft, gedeiht nicht in einer zerstörten Umwelt. Deshalb hat die Regierung einen »Plan zur Meeresbewirtschaftung« vorgelegt, der die Lagune und das Korallenriff langfristig schützen soll. Darin sind Schutzzonen vorgesehen, in denen nicht gefischt werden darf, Boote nur langsam fahren und nicht ankern dürfen. Für andere Gebiete der Lagune werden die Maschenweite der Netze und die Mindestgröße der zu fangenden Fische vorgeschrieben. Denn die Lagune ist restlos überfischt, die Fischer fangen nur noch einen Bruchteil dessen, was vor 30 Jahren angelandet wurde. »Die Vorschriften sind richtig, aber in dem Plan fehlt eine Beschränkung für den Bau weiterer Überwasserbungalows«, bemängelt Christa Teihotu. Die traditionellen polynesischen Häusern nachempfundenen Bungalows sind bei den Hotelkonzernen beliebt, denn für eine Nacht darin bezahlen Gäste bis zu 800 Euro. Also breiten sich diese Bauten in der Lagune vor den Luxushotels aus. Fischer werden dort nicht mehr geduldet, im Schatten der Häuser sterben die sonnenhungrigen Korallen ab, stattdessen breiten sich Algen aus und zerstören noch mehr Korallen. Auch die Haifischfütterung in der Lagune - eine Attraktion für Touristen - sollte verboten werden, meint Christa Teihotu. Etwa 30 ausgewachsene Haie flößen den Fischern Angst ein. »Bisher hat es nur einen Unfall bei der Fütterung gegeben. Einem Tierpfleger wurde die Hand abgebissen. Vielleicht muss erst ein Tourist angefallen werden, bis sich ein Verbot durchsetzt. Haie können auch auf dem offenen Meer gefüttert werden.« Aber auf dem Meer schaukeln die Boote heftiger, und Touristen sind verwöhnt Indessen gibt es auch «hausgemachte« Umweltprobleme: Weil auf den Inseln keine Entsorgungsmöglichkeiten bestanden, blieben ausgeschlachtete Autowracks üblicherweise auf der Straße stehen - bis die Behörden die Wracks einsammeln und zu Würfeln pressen ließen. Bezahlen sollten die vormaligen Besitzer für die Aktion, doch die hatten kein Geld. Jetzt verrotten 343 Autowürfel an der Küstenstraße bei Haapiti auf Moorea. »Für den Export ist die Menge zu gering. Vielleicht lassen sich die Autos zum Dammbau im Meer verwenden, das wird gerade überprüft«, sagt Miriana Bono, Kabinettschefin im Umweltministerium. Sie weiß auch von gelungenen Aktionen zu berichten: Als die Inseln im Wohlstandsmüll zu ersticken drohten, musste innerhalb kurzer Zeit ein Müllentsorgungssystem aufgebaut werden. »Doch es ist nicht leicht, in Tahiti Gewohnheiten zu ändern«, räumt Miriana Bono ein und verweist auf die Mentalität ihrer Landsleute: Jeder wirft seinen Müll einfach weg. Und keiner ist sich bewusst, dass er Teil des Problems ist. Mittlerweile funktioniert die Entsorgung auf Moorea, auch in den ländlichen Regionen Tahitis hat sich das Straßenbild verbessert. Weil jedoch vielerorts die Mülltonnen gestohlen wurden, befestigte man offene Drahtkörbe als Behälter an den Zäunen der Anwesen. Jetzt wühlen wilde Hunde und Katzen in den Körben, und der Müll verteilt sich wie zuvor auf den Straßen. In Zusammenarbeit mit Gemeinden, Kirchen und Jugendorganisationen will man die Bevölkerung für die Behebung des Problems gewinnen. In einer Gesellschaft, in der zu vorkolonialer Zeit blutige Kriege zwischen Dörfern und Inseln tobten, ist Übereinstimmung allerdings auch heute bisweilen schwer zu erreichen. So hat die Hauptinsel Tahiti zwar ein modernes System zur Mülltrennung, -verwertung und -entsorgung mit einer zentralen Deponie. Doch die Stadt Faaa macht nicht mit: Der Nachbarort der Hauptstadt Papeete ist das Zentrum der Unabhängigkeitsbewegung, Bürgermeister Oscar Temaru ist Chef der Separatisten und steht in grundsätzlicher Opposition zum politischen Establishment. Faaa ist also nicht Mitglied im Müllverband und entsorgt seinen Abfall unbehandelt auf einer wilden Deponie. »Das ist zwar illegal, aber da die Stadt die Deponie offiziell betreibt, ist es doch wieder irgendwie legal«, erklärt die Kabinettschefin des Umweltministeriums polynesische Logik. Selbst gesundes Pflanzenwachstum kann zum Umweltproblem werden, wie sich auf Tahiti zeigt. 1919 setzte sich Harrison Smith, Professor am Massachusetts Institute of Technology, an der Südküste der Insel zur Ruhe, gründete einen botanischen Garten und führte zahlreiche auf Tahiti fremde Pflanzen ein. Auch die schön anzusehende Miconia Calvescens. Die hat die Grenzen des Gartens längst übersprungen und überwuchert inzwischen 60 Prozent der Inseloberfläche. Durch ihr schnelles Wachstum und den Schatten ihrer großen Blätter verdrängt sie die übrige Pflanzenwelt, 50 Prozent der einheimischen Arten sind deshalb vom Aussterben bedroht. Das Miconia-Problem wird auch »Grüner Krebs« genannt. Miriana Bono berichtet, gerade sei ein Feldversuch gestartet worden, der Pflanze mittels eines Pilzes Herr zu werden. Allerdings besteht die Gefahr, dass der Pilz auch andere Arten vernichtet. Derweil legen schwelende Feuer in vielen Gärten manchmal ganze Inseln unter Qualm: Feuchter Gartenabfall wird verbrannt, oft mit Plastik vermischt. Dass dabei viel Kohlendioxid und giftige Dämpfe entstehen, interessiert niemanden, denn der beständige Wind bläst den Qualm weg. Den Zusammenhang zwischen den eigenen Gewohnheiten und der globalen Klimaerwärmung, die den Meeresspiegel steigen und flache Atolle unbewohnbar werden lässt, sehen viele Polynesier noch nicht. »Meine Landsleute denken, dass sich die Natur selbst repariert«, sagt Miriana Bono und beweist wenig später, dass sie von ähnlicher Mentalität ist: Auf die Umwelt- und Gesundheitsgefahren angesprochen, die heute vom französischen Atomversuchsgelände Moruroa ausgehen, meint die Umweltexpertin: »Das berührt das täglic...Zum Weiterlesen gibt es folgende Möglichkeiten:
Mit einem Digital-, Digital-Mini- oder Kombi-Abo haben Sie, neben den anderen Abo-Vorteilen, Zugriff auf alle Artikel seit 1990.