Geschichten vom Serienmeister

Willmann und Luther beschreiben Aufstieg und Fall des »Meisterclubs«

  • Peer Sperling
  • Lesedauer: ca. 3.5 Min.
Die Frage, wie Jörn Luther und Frank Willmann nach ihrem viel beachteten und als Herzensangelegenheit präsentierten Buch über den 1. FC Union Berlin nun ein ähnlich huldigendes Werk über Unions ärgsten Rivalen BFC Dynamo verfassen konnten, beantworten die Autoren nicht. Jedenfalls nicht auf den 280 Seiten von »Der Meisterclub«. So heißt ihr gerade erschienenes Buch über den DDR-Serienmeister aus Hohenschönhausen. Vermutlich beflügelte sie vor allem der Erfolg ihres Oberliga-Erstlings »Und niemals vergessen - Eisern Union« aus dem Jahr 2001. Und zugegeben, der als »Stasi-Klub« verschriene, unbeliebteste Oberliga-Club der Republik, der BFC, böte mit seiner Dominanz im DDR-Fußball, der steten internationalen Erfolglosigkeit und seinem Nach-Wende-Niedergang genügend Stoff für eine Vereins-Historie, die gleichzeitig gesellschaftliche Phänomene sichtbar macht. Doch darauf legen es Luther und Willmann nicht an. Ihnen ist vor allem eine umfassende Vereinsgeschichte gelungen. Vom BFC-Vorläufer SC Dynamo Berlin, über die Gründung des Fußball-Clubs 1966, die insgesamt elf Meistertitel bis hin zu den Wirren der Nachwendejahre samt Zwangsabstieg in die Berliner Verbandsliga, schildern Luther und Willman detailliert und kenntnisreich den Aufstieg vom Zweitligisten zum DDR-Serienmeister. Anekdoten von Dynamo-Heroen wie »Moppel« Schröter, Hans-Jürgen Riediger oder Andreas Thom werden erzählt. Teilweise gibt es sie aus erster Hand, neue Interviews mit den BFC-Protagonisten der glorreichen Zeiten sorgen immer wieder für Abwechslung in Luthers und Willmanns manchmal etwas trocken geschilderter Vereinschronik. Reichlich bebildert weckt das Buch zahlreiche Erinnerungen an die unzähligen Glanzvorstellungen der Weinrot-Weißen: Ein Rückblick in die Zeit, als der Fußball noch roh und verschwitzt und viel weniger hochglänzend und entertainment-lastig war als heutzutage. Im Anhang kann in den lückenlosen Tabellen der Spielklassen geschmökert werden, in denen der Hauptstadtclub jeweils spielte. Alle 60 Europapokalspiele sind mit ausführlichen Statistiken dokumentiert, ebenso die Endspiele des FDGB-Pokals, den der Serienmeister erst 1988 und 1989 gewinnen konnte. Aufgeführt werden auch die Spieler mit den meisten BFC-Oberligatoren (Wolf-Rüdiger Netz, 112) oder den meisten Liga-Einsätzen im weinroten Trikot (Frank Terletzki, 373). Besonders ausführlich geraten erwartungsgemäß die Passagen über die so erfolgreichen 70er und 80er Jahre. Von 1978 bis 1988 wurde der BFC in jedem Jahr DDR-Meister. Welchen Anteil der einflussreichste BFC-Fan Erich Mielke, Minister für Staatssicherheit, am Erfolg hatte, können auch die Autoren nicht wirklich aufklären. Im Kapitel »Erich Mielke - der mächtige Fan« heißt es lediglich, man dürfe Mielkes Einfluss auf den Fußball auch nicht überbewerten. Schließlich habe Mielke ja auch nicht verhindern können, dass der Deutsche Fußball-Verband (DFV) Mitte der 80er Jahre Oberliga-Schiedsrichter für zu krasse Fehlentscheidungen pro BFC bestrafte. Hier wäre natürlich auch eine andere Lesart der Geschehnisse möglich: Dass ein offizieller Verband wie der DFV überhaupt eine Bevorteilung des Berliner Fußballclubs eingestand, lässt zumindest vermuten, dass die geahndeten Fehlentscheidungen nicht die einzigen Fälle waren, sondern dass da ein Fass zum Überlaufen gekommen war. All jene Nicht-Dynamo-Anhänger, die seinerzeit im Stadion Zeugen etlicher merkwürdiger Schiedsrichter-Entscheidungen zu Gunsten der Berliner Dynamos wurden, wird diese Argumentation jedenfalls nicht von der Neutralität der Referees überzeugen können. Schwächen hat »Der Meisterclub« vor allem in der Schilderung der Wende- und Nachwendejahre, in denen das durch die Verkäufe von Thom und Doll millionenschwere Vereinsvermögen in dunklen Kanälen versickerte und sich im Anhang des mittlerweile als FC Berlin agierenden Clubs immer mehr Hooligans, Skinheads und Rechtsradikale zusammenfanden. Der Anfang der 90er Jahre angestrebten Nachwuchsrekrutierung von rechten Parteien wie FAP oder NPD unter den Dynamo-Hools bescheinigen Luther und Willmann vorsichtig »mäßigen Erfolg.« Doch dazu gibt es keine weiterführenden Informationen, stattdessen die Binsenweisheit, dass Auffallen und Provozieren nichts mit einer rechten Gesinnung zu tun hätten, sondern eher mit verkapptem Elitedenken des Berliner Anhangs. Der Rest des Kapitels »Unioner kniet nieder, wir sehn uns immer wieder! - BFC-Fans nach der Wende« fällt dürftig aus. Er besteht aus einem Interview mit Fans, die nur beim Vornamen oder Fannamen (»Dreizehn«, »Ahne«) genannt werden. »Dreizehn« verrät, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil der Fans »national denkend« sei. Fan »Steffen« hingegen erklärt, die heutige Anhängerschaft sei ziemlich bunt. Falls er nicht den Alkoholpegel am Rande von Punktspielen gemeint haben sollte, hätte man sich an dieser Stelle zumindest ein kritisches Hinterfragen oder eine eigene Einschätzung der Autoren gewünscht. Hiervor schreckte das Duo Willmann/Luther jedoch zurück. Sie dachten wohl eher an die potenziellen Käufer ihres Buches - deren Anzahl war ja schon zu DDR-Zeiten nicht riesig. D...

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