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  • Brandenburg
  • da sind wir keine Ausländer mehr“ in Schöneberg Wanderausstellung:

Über Reisende zwischen den Welten

  • Lesedauer: 3 Min.

Da ist Frau A., die gebürtige Spanierin: ursprünglich hatte sie nur sechs Monate in Deutschland bleiben wollen. Mittlerweile sind daraus mehr als 28 Jahre geworden.

Da ist Herr T. aus der Türkei. Er schuftete, bis ihm wegen der vielen Geschwüre der halbe Magen aus dem Körper operiert werden mußte.

Zwei von über drei Millionen Ausländerinnen und Ausländern, die 1993 hierzulande registriert waren: Menschen, die nicht selten inzwischen in der dritten Generation in Deutschland leben, gearbeitet, Familien gegründet und Steuern bezahlt haben.

Mit einer - und soviel sei vorab gesagt - sehenswerten Ausstellung versucht die^Geschichtswerkstatt e.V. die Geschichte der zwischen 1961 und heute nach Deutschland eingewanderten ausländischen Arbeiterinnen und Arbeiter für den Ausstellungsbe-

sucher gut erlebbar nachzuzeichnen.

Anhand von Fotodokumenten, Interviews, offiziellen Stellungnahmen und bloßen Fakten werden die Hintergründe einer Völkerwanderung beleuchtet, die ihresgleichen sucht.

Mitte der fünfziger Jahre, als sich Deutschland nach den Schrecken der Naziherrschaft in den Wiederaufbau stürzte, waren Arbeitskräfte Mangelware. Dem abzuhelfen, entschlossen sich die Bonner Regierung und die Spitzen der Industrie, in großangelegten und heute bisweilen erschreckend zynisch anmutenden Kampagnen, Arbeiter aus Südeuropa anzuwerben. Ganze Dörfer verwaisten dort damals.

Angelockt durch die Aussicht auf einen vergleichsweise hohen Lohn, gingen unzählige Frauen und Männer im Westen Deutschlands Arbeitsbedingungen ein, die eigent-

lich jeder Beschreibung spotten. Verträge wurden lediglich von Jahr zu Jahr verlängert, Neuankömmlinge auf dem Werksgelände in Baracken untergebracht, Familien auseinandergerissen, Eheleute für lange Zeit getrennt.

Von Anfang an verrichteten die „Gastarbeiter“, wie sie damals in der allgemeinen Sprachregelung hießen, in den Betrieben die schwersten Arbeiten und ermöglichten einheimischen Arbeitern dadurch den Aufstieg.

Zu Hause nannte man sie Alemanes oder Alamancilar, die „Deutschlinge“. Die Einwanderer wurden zu Reisenden zwischen den Welten. In ihrem Herkunftsland kritisch und wohl auch ein wenig neidisch beäugt, wenn sie mit ihren voll beladenen Autos aus westdeutscher Produktion Verwandte besuchten, sind sie in ihrer neuen Heimat „Gastarbeiter“ geblieben, Bürger zweiter Klasse, ohne Wahlund Mitspracherecht.

Selten einmal sieht man eine Geschichtsausstellung, die es wie „... da sind wir keine Ausländer mehr - Eingewanderte Arbeiterinnen und Arbeiter in Berlin 1961-1993“, versteht, derart zu fesseln. Mit großer Sorgfalt wurden Originalzitate, Dokumente und Abbildungen ausgewählt. Die Aussagen lassen an drastischer Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig.

Am nachdenklichsten stimmt jedoch die Tatsache, daß und wie es zu dieser notwendigen Ausstellung überhaupt kam. Schließlich entstand die Idee dazu bereits im Januar 1989, in jenen Tagen, als die sogenannten Republikaner erstmals in die Westberliner Bezirksversammlungen einzogen.

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