Erster Streik der Diplomaten

Protest gegen Kürzung bei Personal und Finanzen

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: ca. 2.5 Min.

Erstmals in der Geschichte Frankreichs streikten am Montag die Diplomaten des Landes. Sie protestierten mit der ungewöhnlichen Aktion gegen die seit Jahren anhaltende Kürzung der Mittel, die mit dem Haushaltsentwurf für 2004 ihren Höhepunkt erreichte.

Am Montag fand vor dem Senat, der an diesem Tag über den Haushalt des Außenministeriums beriet, eine Demonstration statt, zu der die sechs im Betriebsrat des Ministeriums vertretenen Gewerkschaften aufgerufen hatten. Der weltweite Ausstand der Diplomaten dagegen wurde wegen der verschiedenen Zeitzonen gestaffelt ausgelöst. Er begann nach mitteleuropäischer Zeit am Sonntagabend in der Botschaft in Neuseeland und endete am Dienstagmorgen im Generalkonsulat in San Francisco. Die Reihe der Streikenden reichte von zahlreichen Botschaftern über einen Großteil der Diplomaten und mittleren Angestellten bis zum technischen Personal, das fast vollzählig die Arbeit niederlegte. Das Außenministerium zählt 9200 Mitarbeiter, davon 3900 in der Zentrale am Pariser Quai d'Orsay und 5300 in den weltweit 154 Botschaften, 17 Ständigen Vertretungen, 88 Generalkonsulaten und zehn Konsulaten. In den Botschaften und Konsulaten wurde ein Notdienst eingerichtet. Die Mitarbeiter der Botschaft in Warschau bekannten sich zwar zu dem Streik, doch sie beteiligten sich nicht daran, weil Premierminister Jean-Pierre Raffarin am Sonntag und Montag zu einem offiziellen Besuch in Polen weilte. In den Streik einbezogen waren auch die 6000 Lehrer der französischen Auslandsschulen und das Personal der 223 Kulturzentren und der 175 weiteren Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen im Ausland, die dem Außenministerium unterstehen und aus dessen Budget finanziert werden. Der Budgetentwurf für 2004 sieht für das Außenministerium 4,2 Milliarden Euro vor, was 1,25 Prozent des französischen Staatshaushalts ausmacht. Das ist auf den ersten Blick gegenüber 2003 eine Steigerung um 2,6 Prozent, doch dieses Bild trügt, denn wenn man die Gelder für die Entwicklungshilfe ausklammert, zeigt sich eine tatsächliche Reduzierung der Mittel um 1,6 Prozent. In den vergangenen 20 Jahren hat der Apparat des Außenministeriums bereits 2758 Posten und die entsprechende Zahl von Mitarbeitern verloren. Für 2004 ist vorgesehen, 46 Prozent der Stellen, die durch Rente frei werden, nicht neu zu besetzen. In den Auslandsvertretungen werden immer mehr Posten nicht mehr durch französische Beamte, sondern durch örtlich engagierte Angestellte besetzt, die schlechter bezahlt werden. Der Geldmangel zeigt sich an allen Ecken und Enden. So sind zahlreiche Fahrstühle im Ministerium seit Monaten stillgelegt, weil die Reparaturen nicht bezahlt werden können, und im Oktober konnte drei Tage lang kein Papier ausgegeben werden, weil man die Bestellung von Büromaterial hinausgezögert hatte und der Vorrat erschöpft war. »Die Mitarbeiter des Außenministeriums können nicht verstehen, wie Staatspräsident Jacques Chirac und die Regierung große Ambitionen für Frankreich auf außenpolitischer Ebene entwickeln und gleichzeitig das Personal und die finanziellen Mittel ständig weiter zusammenstreichen«, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der im Betriebsrat des Ministeriums vertretenen Gewerkschaften. Den letzten Anstoß zum Streik hatte die Forderung des Finanzministeriums gegeben, zusätzlich noch 20 Millionen Euro bei den Mietzuschüssen für im Ausland tätige Diplomaten und Angestellte einzusparen. Außenminister Dominique de Villepin setzte bei Wirtschafts- und Finanzminister Francis Mer durch, dass diese Summe auf 12 Millionen Euro verringert wurde, doch den Streik konnte er trotz einer Ende letzter Woche einberufenen Belegschaftsversammlung am Quai d'Orsay nicht abwenden. Vor 600 kampfentschlossenen Mitarbeitern erklärte er: »Ich weiß, dass die Zeiten schwierig sind und dass es Unsicherheit und Zukunftsangst gibt, doch ein Streik in unserem Hause ist keine banale Angelegenheit.« Obwohl er den Gewerkschaften mehr Transparenz und Mitsprache bei der Erarbeitung des Budgets versprach, blieben dies...

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