Die Perlenkette entlang der Silberstraße

Tief im Westen, in der Extremadura, gehören römische Gemäuer und Störche zum intakten Alltag

  • Brigitte Müller
  • Lesedauer: ca. 4.0 Min.
Via de la Plata, Ruta de la Plata oder einfach Silberstraße - klingt verheißungsvoll. Extremadura dagegen ein bisschen hart, macht aber auch neugierig. Und beides zusammen ist eine Reise wert, in den tiefen Westen Spaniens.
Die Silberstraße verdankt ihren Namen weniger dem besonderen Vorkommen dieses Edelmetalls als vielmehr einer lautmalerischen Ähnlichkeit zwischen lata (breit) und plata (Silber), erzählt Evangelina Perez, unsere Begleiterin. Man könne auch sagen, einem kleinen Hörfehler: die Römer, die sich vor zweitausend Jahren diese wichtige Nord-Süd-Verkehrsader bauten, nannten sie schlicht via lata: breiter Weg. Ihre Bedeutung für Handel und Kultur hat sich die Silberstraße erhalten. Sie verbindet als Nationalstraße N-630 von Gijon bis nach Sevilla vier Regionen.
Die Extremadura ist eine von 17 Regionen in dem drittgrößten Land Europas (nach Russland und Frankreich) und grenzt an Portugal. Ihr Name führt zurück in die Zeit der Jahrhunderte langen Kämpfe zwischen Mauren und Christen. Damals wurden die Grenzgebiete extremo genannt; dura weist auf den Fluss Duro. Eine abwechslungsreiche Gegend mit steppenartigen Ebenen, ausgedehnten Flusslandschaften, mit Wäldern und Gebirgszügen. Evangelina Perez weiß von 54 Schutzgebieten unterschiedlichster Art, ein Eldorado für Naturfreunde.
Museum über der Krypta
Doch mit ihrem Kunst- und Kulturerbe ist diese Region mindestens genauso interessant. Merida, seit 1983 Regionalhauptstadt der Extremadura, gilt als eine Hochburg für Zeugnisse römischer Baukunst. Hier wurde 1986 das Nationalmuseum für Römische Kunst eingeweiht. Architekt Rafael Moneo Vallés nahm die klassische römische Bauweise zum Vorbild für seinen Entwurf. Während der Bauarbeiten entdeckte Reste römischer Häuser, einige mit Wandmalereien, Wasserleitungen, eine Krypta und ein Stück der Silberstraße wurden an Ort und Stelle in das Museum integriert.
In seiner unmittelbaren Nähe befinden sich das Amphitheater, in dem Gladiatorenkämpfe und solche mit Tieren vor 14000 Zuschauern abliefen, sowie das Römische Theater, in dem Musik und Theaterkunst für 6000 Gäste geboten wurden. Im Juli und August finden hier alljährlich international berühmte klassische Theaterfestspiele statt.
Man könnte Tage allein in Merida verbringen und würde immer wieder staunend vor römischer Baukunst stehen, die, aufwändig restauriert, vom Kunstverständnis und den genialen Entwürfen der Baumeister sowie den beeindruckenden Fähigkeiten der Bauarbeiter künden. Evangelina zeigt uns die Brücke über den Fluss Guadiana, gebaut 25 v. Chr. Sie überspannt mit 60 Bögen 792 Meter - und ist 2000 Jahre später noch voll intakt. Vor zehn Jahren wurde das hier alles von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt.
Merida war Endstation unserer dreitägigen Fahrt durch die Extremadura, von Nord nach Süd, entlang der Silberstraße, an der historische Bauten unterschiedlichster Art und aus den verschiedensten Epochen aufgereiht sind wie auf einer Perlenkette. Tags zuvor hatte uns Evangelina bereits ein anderes UNESCO-Weltkulturerbe (seit 1986) gezeigt, und zwar die Altstadt von Caceres. Die meisten Paläste und Herrschaftshäuser, Kirchen und Klöster der Altstadt stammen aus der hiesigen kulturellen Hochzeit zwischen dem 15. und 18. Jahrhundert. Heute wohnen 450 Familien innerhalb der Stadtmauer. Höchst bequem und ruhig. Und wenn man Lust auf modernes quirliges Leben hat, geht man einfach vor die Tore seiner Stadt - und ist mitten drin im Trubel der Gegenwart seiner Stadt.
Geliebt wird die Altstadt offensichtlich auch von den Störchen. Es gibt kaum eine Nistmöglichkeit - von unten besehen besser: Nistunmöglichkeit - die sie nicht nutzen. Und es stört die Langbeine offenbar auch nicht, dass ihre aus einem Dutzend Nestern bestehende Kolonie auf der Kirche Santiago bis Mitternacht von Scheinwerfern angestrahlt wird. Diese Beleuchtung exponierter Gebäude oder auch nur eines Turms, eines Bogens, einer Skulptur macht übrigens einen nächtlichen Spaziergang durch Alt-Caceres besonders reizvoll.
Plasencia, vor mehr als Achthundert Jahren von König Alfons VIII. gegründet, und fast genauso lange Bischofssitz, wie Evangelina erläutert, ist heute das wichtigste städtische Zentrum im Norden der Extremadura. Die mittelalterliche Tradition wird mit Messen, Festen und Märkten auf dem attraktiven Plaza Mayor gepflegt. An den Jahrhunderte alten Gebäuden ging die Zeit scheinbar spurlos vorüber; sicher auch Ausdruck für den sorgsamen Umgang mit kulturellem Erbe. Eines der interessantesten Gebäude in Plasencia ist übrigens der Zwilling Alte und Neue Kathedrale. Als das alte Gotteshaus aus dem 13. Jahrhundert zu klein wurde, begann man die Neue Kathedrale direkt anzubauen. Über 100 Jahre waren daran mehrere Baumeister beteiligt.
Kloster-Urlaub mit Parador
Historische Gebäude aller Art werden in Spanien übrigens nicht nur als Denkmal oder Museum, sondern vielfach auch ganz praktisch genutzt. Beispielsweise gibt es seit den 20er Jahren die staatliche Hotelkette Parador, die ihre Gäste in Klöstern, Adelspalästen oder Landsitzen empfängt. Es gibt - und das nicht nur bei ihren Landsleuten - Urlauber, erzählt Evangelina, die mal in jedem Parador gewohnt haben wollen...
Jedes Jahr im Spätherbst ist die Extremadura Ziel von Zehntausenden »Besuchern«. Sie brauchen jedoch keine Hotels, genießen die malerisch schöne Landschaft pur: Kraniche. Etwa 50000 dieser Zugvögel aus Nordeuropa finden hier ideale Lebensbedingungen in den Feuchtgebieten, den Steineichenwäldern und Ebenen, wo sie ihr Winterquartier beziehen. Sie gehören auch zu den Schätzen der Region Extremadura.

Informationen: Spanisches Fremdenverkehrsamt Turespana Berlin, Kurfürstendamm 63, 10707 Berlin, Telefon...

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