Terroristen mit E-Gitarre

Berliner Kammergericht sprach rechtsextremistische Musiker schuldig

  • Peter Kirschey
  • Lesedauer: ca. 3.0 Min.

Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik ist eine rechtsextremistische Rockband wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung verurteilt worden. Gegen drei Mitglieder der Gruppe »Landser« verhängte das Berliner Kammergericht Gefängnisstrafen von drei Jahren und vier Monaten gegen den Rädelsführer sowie Bewährungsstrafen gegen die beiden Mitangeklagten.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die drei Neonazis, Bandchef Michael R. (38 Jahre), Texter und Sänger, Andre M. (35), Bassist, sowie Christian W. (27), Schlagzeuger, in den Jahren 1993 bis 2001 durch den Vertrieb ihrer menschenverachtenden Musik Hass und Gewalt gepredigt haben. Alle drei Musiker sind vorbestraft wegen Volksverhetzung und Verbreitung verfassungsfeindlicher Symbole. In der Urteilsbegründung ging das Gericht davon aus, dass die Nazirocker konspirative Organisationsstrukturen entwickelt haben, um aus dem Untergrund heraus die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu zerstören. Der 2. Strafsenat des Kammergerichts kam zu der Überzeugung, dass sich die drei als terroristische Bande zusammengeschlossen haben. Sie hätten sich selbst als »politische Gruppe mit Kampfauftrag« verstanden und sich als »Terroristen mit E-Gitarre« bezeichnet. Sie gingen bei der Herstellung ihrer Hass-CDs außerordentlich konspirativ vor. Unter Verzicht auf öffentliche Auftritte seien die Scheiben im Ausland, in den USA und in England, produziert worden. In Holland wurden die CDs dann zwischengelagert, die Aufdrucke in Polen und in Tschechien hergestellt. Vertrieben wurden die rechtsextremistischen Titel schließlich über ein getarntes Verteilernetz. Die Band produzierte auf ihren CDs »Das Reich kommt wieder« und »Republik der Strolche« Titel wie »Opa war Sturmführer«, »Heil, heil«, »Deutschland erwache«, »Sieg heil«, »Bomben auf Israel« oder »Adolf Hitler - unser Führer«. Die rechten Rocker wollten andere zu Gewalttaten aufstacheln und ein »Klima der Gewaltbereitschaft« erzeugen. In einem Text ist beispielsweise zu lesen: »Wenn in der Nacht die Kreuze brennen, dann könnt ihr stinkenden Kaffer um euer Leben rennen«. In einem anderen Text unter dem Landser-Label heißt es: »Zigeunerpack - jagt sie alle weg - ich hasse diesen Dreck...Rotzt du in die Fresse ihnen, bekommen sie das, was sie verdienen...Verlogenes Verbrecherheer. Fällt wie Heuschrecken über uns her. Stoppen wir nicht mal ihren Lauf, fressen sie am Ende uns alle auf.« Mit ihren Texten, heißt es in der Urteilsbegründung, hätten die drei Musiker in volksverhetzender Weise zu Hass und Gewalt gegen Teile der Bevölkerung aufgestachelt und die Menschenwürde anderer dadurch angegriffen. Außerdem hätten sie die Bundesrepublik und ihre verfassungsmäßige Ordnung beschimpft und verächtlich gemacht. Die »Landser« waren vor zwei Jahren aufgeflogen, nachdem die Polizei bei einer Großaktion in Berlin und Brandenburg 22 Häuser durchsucht und umfangreiches Propagandamaterial sichergestellt hatte. Die Telefonate der Neonazis waren über Monate abgehört worden und ihre Verflechtungen mit der internationale rechtsextremen Szene sichtbar geworden. Der US-amerikanische Neonaziführer Gary Lauck organisierte eine internationale Solidaritätsaktion für die Musiker. Bei zahlreichen Prozesse gegen rechtsextreme Gewalttäter spielte die Musik der »Landser« eine nicht unerhebliche Rolle. Die Bundesanwaltschaft hatte in ihren Plädoyers für alle drei Täter wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung Gefängnisstrafen ohne Bewährung gefordert. Die Verteidigung hingegen hatte auf Freispruch wegen Mangel an Beweisen plädiert. Nach ihrer Überzeugung hatte das halbjährige Verfahren den Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung nicht bestätigt. Die drei Verurteilten schwiegen während des Verfahrens zu den Vorwürfen und nannten lediglich ihre Personalien. Die Anklageschrift umfasste 180 Seiten, 75 Zeugen waren von Anklage und Verteidigung benannt worden. Den Richterspruch nahmen die drei Musiker, hinter Sonnenbrillen versteckt, äußerlich teilnahmslos entgegen. Das Urteil sollte schon im August gesprochen werden, das Verfahren zog sich aber wegen der Kompliziertheit der Materie bis Ende Dezember hin. Das Gericht achtete sorgsam darauf, dass andere Zusammenhänge, etwa die Mitwirkung des Verfassungsschutzes bei Herstellung und Vertrieb der Hetz-CDs möglichst klein gehalten wurde. Mirko H. vom Bundesamt und Toni St. vom Brandenburger Landesamt für Verfassungsschutz standen wegen ihrer Verstrickungen bereits vor Gericht. Sie hatten als Spitzel in der rechtsextremistischen Szene gewirkt und waren akt...

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