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Auszeit in Klein-Iser
Skilanglauf-Paradies im böhmischen Isergebirge
Kein Laut weit und breit. Nur der Schnee knirscht unter den Füßen. Das Thermometer am Gasthaus Pyramide zeigt zehn Grad unter Null. Wie eine Decke hat sich der Nachthimmel über Klein-Iser (Jizerka) ausgebreitet. Die Sterne leuchten hier heller und klarer als in der Stadt. Doch nicht immer sind die Winterabende hier freundlich. Oft pfeift der Wind gnadenlos über die Hochfläche, verweht den Schnee nach Lust und Laune, so dass ein Fortkommen auf der Straße nicht mehr möglich ist. Klein-Iser ist der kälteste Ort in Böhmen. Im Jahre 1943 wurden minus 40 Grad Celsius gemessen. Weil es hier so kalt und schneesicher ist, findet seit nunmehr 37 Jahren der internationale Skimarathon »Isergebirgsfünfziger« (Jizerská padesátka) statt.
Ums Isergebirge, den »armen« Verwandten des mächtigen Riesengebirges, ranken sich viel Geschichten. Edelsteinsucher, Jäger, Wilddiebe, Schmuggler und Abenteurer lieferten den Stoff. Der Raubschützenfelsen auf dem Mittleren Iserkamm ist eine mächtige Gebirgsgruppe. Es wird erzählt, dass hier um das Jahr 1813 der berüchtigtste Wilderer des Isergebirges namens Hennrich sein Versteck hatte. An der Stelle, wo er zu Tode kam, steht ein Holzkreuz.
Das Isergebirge ist eben eine andere, eine eigene Welt. Sie existiert fern jeglicher Hektik. Hierher kommen die Romantiker, die nach Ruhe und Einsamkeit Suchenden, die vom Stress Geplagten. Wenn sie oben am Parkplatz unterhalb des Buchberges stehen und auf die verstreut liegenden Häuser hinab und in die Weite schauen, dann spüren sie diesen besonderen Zauber: keine Lifte, kein Skizirkus in Klein-Iser, nur Skilangläufer drehen auf mehreren Loipen ihre Runden. Die Anfänger laufen auf dem Promenadenweg bis zum Wittighaus (Smedava), wo sie sich auf der Sonnenterrasse bräunen und leckere Sahneeisbecher löffeln. Die Durchtrainierten genießen die kilometerlange Abfahrt über Christiansthal (Kristiánov) bis zum Umgebindeschloss Neuwiese (Nová Louka). Die, die sich auf dem Rückweg mühsam bergauf kämpfen werden, lächeln am Ende des Tages darüber, dass sich die Runde schon wieder auf knapp vierzig Kilometer summiert hat.
Nach derlei Aktivitäten und einem großen Bier sinken die Ansprüche. Man braucht keinen Fernseher, keine Unterhaltung, noch nicht mal ein Buch. Diese angenehme Schwere verteilt sich gleichmäßig über den Körper. Nur ein kuscheliges Bett muss jetzt her für einen tiefen erholsamen Schlaf.
Das bedeutendste Gebäude in Klein-Iser war das Riedelsche Herrenhaus, Anfang der dreißiger Jahre des 19. Jahrhunderts neben der Glashütte gebaut. Seit 2003 ist es ein gemütliches Hotel. Die Zimmer sind individuell und liebevoll eingerichtet und ganz dem alten Stil des Hauses angepasst. Liebling vieler Gäste ist der gestreifte Kater Salamoun mit bernsteingelben Augen. Morgens nach sieben miaut er vor der Tür.
Jeder, der nach Klein-Iser kommt, kehrt wenigstens einmal im Gasthaus Pyramide ein. Das lohnt sich, weil der Koch sich müht und das Essen schmeckt. Das Gasthaus bekam seinen Namen von der Steinpyramide nebenan, die 1815 zu Ehren des Grafen Wilhelm Clam Gallas aufgestellt wurde und bis heute dort steht.
Früher war Klein-Iser durch den Zollweg mit Groß-Iser auf der preußischen Seite verbunden. Heute steht in Groß-Iser nur noch ein Haus von ehemals 30. Es ist die frühere Schule, heute Baude Górzystów. Jetzt soll ein Grenzübergang für Fußgänger, Radfahrer und Skiläufer zwischen Jizerka und dem polnischen Orle am Karlstaler Steg eröffnet werden. Neue Routen, neue Ausblicke vom polnischen Iserkamm werden damit ermöglicht. Eine Woche hier oben vergeht wie im Flug - bis dann unten von Korenov (Wurzel...
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