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Textima Großenhain und das Hornberger Schießen

  • Rosi Blaschk
  • Lesedauer: 3 Min.

Der 50jährige Dreher Jürgen Herzog und der 44jährige NC-Fräser Horst Zschiesche gehören zu den 159 übriggebliebenen Beschäftigten in der Textima Großenhain GmbH. Es waren einmal knapp an die Tausend. Weitere hundert Arbeitsplätze stehen in dem von der Treuhand verwalteten Betrieb auf der Streichliste. Am Ende sollen 60 Fachleute den Flyer, eine Maschine in der technologischen Kette der BaumwoU- und Kammgarnspinnereien, bauen. Die anderen müssen, geht es nach der Treuhand, weichen.

Damit würden von den einst neun Großbetrieben in und um Großenhain nur noch ein paar Winzlinge bleiben. Es grenzt schon an Zynismus,

von einem industriellen Kern Sachsens zu sprechen.

Jürgen Herzog und Horst Zschiesche werden sicher zu den 60 gehören. Bei Zschiesches sitzen von den acht Kindern noch sechs zu Hause am Tisch. Die Mutter arbeitet als Halbtagskraft im Kindergarten, in dieser Spargesellschaft auch kein sicherer Arbeitsplatz. Der Verdienst des Vaters wird dringend gebraucht.

Um zu retten, was zu retten ist, wollen sich auf Anregung der IG Metall vier sächsische Textilmaschinenbaubetriebe, darunter der Großenhainer, zu einem Unternehmensverbund zusammenschließen und als Komplettanbieter dem Markt stellen (ND berichtete darüber

am 7 Februar). Eine sächsische Spinnlinie - das wäre ein Versuch, der den Begriff industrieller Kern rechtfertigte. Die Treuhand will die Betriebe schnell einzeln privatisieren. Nun ist auch die letzte Hoffnung zerstoben.

Das lange geforderte Gespräch in Sachsens Wirtschaftsministerium in dieser Woche, an dem die Betriebsräte, die IG Metall, der zuständige Treuhanddirektor Bredenbreuker und in Vertretung des Ministers Staatssekretär Thiele teilnahmen, ging aus wie das Hornberger Schießen. Weder genaue Aussagen über Privatisierung und Kaufinteressenten, noch ihre Konzepte wurden den Betriebsräten vorgelegt. Auch aus dem Wirt-

schaftministerium kamen wieder nur leere Versprechungen ohne konkrete Zusagen.

Der stellvertretende Gro-ßenhainer Betriebsratsvorsitzende Gerhard Täuber kann seine Enttäuschung nicht verbergen. „Die Privatisierung ist die beste Sanierung, damit hat uns der Treuhanddirektor wieder abgespeist“, sagt er. Steht er unter Zeitdruck? Die Verhandlungen über den sogenannten Interessenausgleich, sprich weitere Entlassungen, würden nicht wenigstens solange ausgesetzt, bis konkrete Konzepte vorliegen. Es müsse wegen der schlechten Auftragslage aus betriebswirtschaftlichen Gründen abgespeckt werden.

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Doch Gerhard Täuber gibt zu bedenken, daß die Maschinen aus Großenhain, die einen technologischen Vorlauf von zwei Jahren verkörpern, im Ausland gefragt sind. Die Chancen sind groß, zu weiteren Aufträgen zu kommen. Es gehe um eine gewisse Durststrecke, in der das Werk finanzielle Begleitung zum Beispiel durch Sachsens Regierung brauchte - wenn die ihre Unterstützung für die „Sachsenspinne“ ernst meint. Wenn das Gros an Facharbeitern und Konstrukteuren erst entlassen ist, haben auch der Betrieb und die Region kaum mehr eine Zukunftschance.

ROSIBLASCHKE

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