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  • Politik
  • FRANKREICH erläßt Verordnung für bestimmte Ausländer

Ihr .^Ausreisevisum“ bitte!

  • MARCEL VAUTIER, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.

Was braucht man, um das Land verlassen zu können? Natürlich ein „Ausreisevisum“ ! Das ist keine Geschichte aus vergangenen „realsozialistischen“ Zeiten. Das ist real existierende Demokratie, wie sie ab 1. April in Frankreich gültig sein wird. Die Betroffenen aus 13 als „sensibel“ eingestuften Herkunftsländern sollten die Sache trotz des für Scherze bekannten Startdatums bitter ernst nehmen. Sonst könnten sie sich schnell in der kriminellen Ecke wiederfinden.

Betroffen von der neuen Verordnung sind keineswegs nur Asylbewerber, denen auch anderswo die Bewegungsfreiheit begrenzt wird. Die jüngst im Amtsblatt „Journal officiel“ veröffentlichte Anordnung ist Teil der neuen Ausländergesetzte vom 24. August 1993. Die „sensiblen“ Länder sind demnach: Afghanistan, Armenien, Aserbaidshan, die Koreanische Demokratische Volksrepublik, Georgien, Irak, Iran, Jordanien, Libanon, Libyen, Syrien, Sudan, und dazu kommen die Palästinenser. Wer also dorther

stammt und sich heute in Frankreich aufhält, egal ob als Flüchtling oder ganz legal mit Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis, den läßt das Vaterland von „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ nicht so einfach wieder 'raus.

Die neue Verordnung verlangt, vor jedem Verwandtenbesuch in der alten Heimat 'beispielsweise oder auch vor jeder Geschäftsreise, den Gang zur zuständigen Präfektur, wo der Reisewillige einen Sichtvermerk verpaßt bekommt. So neu ist die Methode in Frankreich nicht. Schon einmal hat der gleiche Mann auf dem gleichen Posten zur gleichen Methode gegriffen. Innenminister Charles Pasqua, in dieser Position auch schon in der letzten konservativen Regierung von 1986 tätig, hatte dazumal gleich 49 Länder auf den Index setzen lassen. Unter der sozialistischen Regierung von Pierre Be're'govoy war die Beschränkung nach knapp sechs Jahren allerdings wieder aufgehoben worden.

Begründung damals wie heute für die Einschränkung

der Bewegungsfreiheit pauschal nach Herkunft: die „nationale Sicherheit“. 1986 hatte eine Welle von Attentaten das Land erschüttert. Zur heutigen Lage hört man von Experten allerdings, es sei in den letzten Monaten kein Anwachsen von Bedrohung verzeichnet worden. In der Formulierung fällt die aktuelle Verordnung denn auch weniger barsch aus als die gekippte Vorgängerin, Da heißt es, der Betroffene habe nur seine Reiseabsicht zu erklären und sich einen Sichtvermerk geben zu lassen, dies sei nicht als Bitte um eine Ausreiseerlaubnis zu verstehen. Nur auf juristischem Wege könne - im Ausnahmefall - die Reiseabsicht unterbunden werden.

Französische Menschenrechtsorganisationen sind da allerdings skeptisch. Wer die übliche Behördenpraxis kennt, wird diese Sorge verstehen. Juristen der GISTI, einer hiesigen Bürgerrechtsorganisation, die sich um die Einwanderer kümmert, sehen darin einen „Exzeß der Macht“

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