Vergessener Krieg der Karen

Verhandlungen zwischen Regierung von Myanmar und Rebellen immer wieder gescheitert

Im Osten Myanmars (Burma) schwelt ein vergessener Krieg - der bereits 50 Jahre währende bewaffnete Konflikt zwischen Regierungstruppen und den Einheiten der Karen National Union. Rebellengeneral Bo Mya sprach dieser Tage von neuen Verhandlungen mit dem Militärregime in Yangon. Ausgang offen.

Wer die idyllischen Dörfer der Karen im Nordwesten Thailands besucht, kann sich nicht vorstellen, dass schon jenseits der nächsten Hügelkette auf der anderen Seite der Grenze in Myanmar (Burma) seit 50 Jahren Krieg herrscht. Wenn man mit den Menschen auf der thailändischen Seite spricht, kann man viele harte Schicksale kennen lernen. Der 50-jährige Dudu überlebte als einziger seiner Familie, als die burmesische Armee vor 10 Jahren sein Dorf niederbrannte und die Karen-Bevölkerung massakrierte. Jetzt wohnt er in einem 100-Seelen-Dorf der Karen in Thailand und hat sogar das Glück einer Aufenthaltsgenehmigung.
Der baptistische Priester dieses Dorfes ist ebenfalls ein Karen aus Myanmar. Er musste alles zurücklassen, als die Armee einmarschierte. Nach seiner Flucht unterstützte ihn die hiesige Dorfbevölkerung. Jetzt hat er wieder ein Haus aus Bambus mit einem Grasdach, doch das erste Jahr nach seiner Flucht musste er ohne eigene Behausung auskommen. Als er sich die Hände an einem in Brand geratenen Moskitonetz schwer verbrannte, traute er sich nicht in die Klinik der 20 Kilometer entfernten Thai-Provinzstadt. Er hat nämlich keine Papiere.

Massaker zur Geburt der Unabhängigkeit

Als Flüchtling ist es nicht ratsam, kontrollierenden Thai-Polizisten oder Militärs in die Hände zu fallen. Seit der thailändische Ministerpräsident Thaksin seinen Schlingerkurs fährt - ein bisschen Druck auf die Generäle in Myanmar, aber gute wirtschaftliche und politische Beziehungen haben Vorrang - wird man als Flüchtling schnell auf die andere Seite der Grenze abgeschoben. Die Konsequenzen kümmern die Thais wenig.
In Myanmar leben schätzungsweise vier Millionen Karen, in Thailand eine halbe Million - etwa 100000 von ihnen in Flüchtlingslagern. In Myanmar siedelten die Karen seit Generationen im Irrawaddy-Delta. Die meisten sind Nassreisbauern. In den Bergregionen des Ostens und Südostens leben die Karen als Subsistenzreisbauern, oft noch Brandrodung betreibend, in kleinen Siedlungen. Die meisten Karen sind Buddhisten, aber es gibt auch eine starke Minderheit von etwa 30 Prozent Christen. Als die Engländer Ende des 19. Jahrhunderts endgültig das Land kolonisierten, kamen in ihrem Gefolge britische und US-amerikanische Missionare. Sie brachten Medikamente, bauten Schulen. Nicht wenige Karen dienten in der Kolonialarmee, was ihren Beliebtheitsgrad bei den Burmanen nicht gerade steigerte. Hinzu kommen die Wirren des Zweiten Weltkriegs, als die antikolonialistische burmesische Armee unter Aung San kurze Zeit mit den Japanern verbündet war, während die Karen loyal zu den Briten hielten.
Die über Jahrhunderte schwelenden Animositäten entluden sich 1948 während der Geburtstunde des unabhängigen Burma in Massakern an der Karen-Bevölkerung im Irrawaddy-Delta. Im Zuge von Sezessionsbewegungen anderer Minderheiten wie der Shan oder Kachin forderten auch die Karen ihren eigenen Staat. Vergebens suchten sie Unterstützung bei ihren einstigen Schutzherren, den Briten. Zwar wurde der so genannte Kayin State (Karen-Staat) mit der Hauptstadt Pa-an eingerichtet, der auch heute noch existiert. Doch von realer Autonomie ist bis auf den heutigen Tag nie etwas zu spüren.

Das Hauptquartier fiel durch Verrat

1949 erhoben sich die Karen, gründeten die Karen National Union (KNU) und stellten bewaffnete Einheiten auf. Zunächst links stehend und geographisch auf die Delta-Region ausgerichtet, wurde die KNU unter General Bo Mya im Laufe der 60er Jahre antikommunistisch und musste sich ostwärts zurückziehen. Der charismatische und zugleich autoritäre Bo Mya, ein Sieben-Tage-Adventist, wurde 1968 Oberkommandierender der Karen National Liberation Army (KNLA) und ist es bis heute geblieben.
Die Karen konnten an der Grenze zu Thailand ein staatsähnliches Gebilde mit dem Namen Kawthoolei aufbauen. Das Hauptquartier Manerplaw lag nahe der Grenze am Moei-Fluss. In der Besucherbaracke kamen in den 80er Jahren häufig Journalisten und andere Interessierte zusammen, die illegal von der Thai-Seite her ins Hauptquartier geleitet wurden.
Die Zerschlagung des Volksaufstandes gegen die Militärs im Jahre 1988 bescherte der KNU einen Zustrom von burmesischen Studenten, die nach der Flucht in die Grenzgebiete zu den Waffen griffen. Hier wäre eine historische Chance der Versöhnung zwischen ethnischen Burmanen und Minderheiten im gemeinsamen Kampf gegen ein unmenschliches Regime gewesen. Doch die All Burma Students' Democratic Front (ABSDF) wurde nur halbherzig unterstützt, ihre Angehörigen hatten von den Karen getrennte Wohnquartiere in Manerplaw . Die Kachin Independence Army hatte nichts besseres zu tun, als einen Waffenstillstand mit den Militärs einzugehen. Gleichzeitig gab die kommunistische Guerilla auf, deren Fußvolk die ethnische Gruppe der Wa bildete. Die ethnische Fragmentierung und das gegenseitige Misstrauen in Burma sind geblieben.
Die aufständischen Karen verloren 1995 ihr Hauptquartier Manerplaw. Ein Jahr zuvor hatte sich eine buddhistische Splittergruppe namens Democratic Kayin Buddhist Army (DKBA) mit 1000 Kämpfern abgespalten. Grund war die lange schwelende Unzufriedenheit zwischen den mehrheitlich buddhistischen, den Pwo-Karen angehörenden einfachen Soldaten und den fast ausnahmslos christlichen und zu den Sgaw-Karen gehörenden Führungskadern der KNU. Die Spaltung ging so tief, dass die Dissidenten der Armee die minengesicherten Zugangspfade nach Manerplaw verrieten. Der Kampf der Brüder ist unversöhnlich. Soldaten der buddhistischen Milizen, deren Hauptquartier nahe Pa-an liegt, haben sogar mehrfach Flüchtlingslager auf der Thai-Seite überfallen und auch KNU-Mitglieder entführt.
Durch den Verlust ihrer militärischen Basis, der Spaltung und durch die zunehmend bessere Versorgung der Armee mit chinesischen Waffen, kann die Karen National Union derzeit nur noch Guerilla-Attacken durchführen. Noch gibt es etwa 5000 Kämpfer, aber die Rebellen geraten immer mehr in die Defensive.

Hunderte Dörfer niedergebrannt

Am meisten leidet wie immer in solchen Fällen die Zivilbevölkerung. Sie hat zwar in der Regel wenig Übergriffe seitens der Karen Befreiungsarmee KNLA zu befürchten, doch muss sie mehr oder weniger freiwillig Nahrung für die durch die Dörfer ziehenden mobilen Kommandos bereitstellen. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hat auch die KNLA in einigen Fällen der Misshandlung und Exekution feindlicher Kämpfer bezichtigt. Auch Kindersoldaten sind in ihren Reihen zu finden.
Auf der anderen Seite wird der burmesischen Armee und den mit ihnen verbündeten Karen-Dissidenten von Menschenrechtsorganisationen systematischer Grausamkeit vorgeworfen. In so genannten »black areas« wird die Dorfbevölkerung gezwungen, sich in vom Militär kontrollierten Camps niederzulassen. Hunderte von Dörfern sind in den letzten Jahren niedergebrannt worden, besonders schlimm ist es im Papun- und Nyaunglebin-Distrikt im Norden des Karen-Staates. Wer nach dem Befehl zur Räumung noch im Dorf oder auf den Feldern angetroffen wird, wird erschossen. Vermeintliche Sympathisanten der Karen National Union werden gefoltert und getötet.
Laut Amnesty International gibt es in Myanmar 50000 interne Flüchtlinge aufgrund der Kämpfe im Karen-Gebiet, allein 25000 Menschen sind von Umsiedlungen betroffen. Auf das ganze Land bezogen sind es laut Burma Campaign, einer britischen Nichtregierungsorganisation, 600000 Menschen, die ihr Zuhause durch Kämpfe verloren haben.
Myanmars Generäle setzen indes weiter auf eine militärische Lösung. Anfang August 2003 hatte die Armee eine neue Offensive gegen die Einheiten der KNU im Distrikt Pa-an nahe der thailändischen Grenzstadt Mae Sot gestartet. Die Aktion kulminierte mit der Eroberung eines wichtigen Stützpunktes der Rebellen. Die Karen beteuerten, sie hätten kaum Verluste erlitten, während es auf Regierungsseite 120 Tote gegeben habe.
Verhandlungen zwischen der Karen National Union und den Militärs sind immer wieder abgebrochen worden. So hatte die Führung in Yangon den Karen-Rebellen im Oktober 2003 eine »Rückkehr in den Schoß der Gesellschaft« angeboten. Aber für den jetzigen KNU-Präsidenten Phado Saw Ba Thin bedeuten die Vorschläge der Regierung nichts anderes, als sich auf Gedeih und Verderb den Generälen auszuliefern. Die von den Rebellen vorgeschlagenen Dreiergespräche zwischen der Karen National Union, der Nationalen Liga für Demokratie von Aung San Suu Kyi und den Militärs seien nie berücksichtigt worden. Um einen eigenen Staat geht es den Karen schon lange nicht mehr, nur um eine wirkliche Form von Autonomie und Mitbestimmung.
Kurz vor Jahresende hat General Bo Mya, der die Karen-Einheiten nunmehr bereits seit 35 Jahren kommandiert, noch einmal Stärke demonstriert. Auf einem Stützpunkt unmittelbar an der thailändischen Grenze erinnerte er vor 2000 Soldaten und Dorfbewohnern an die vielen Kämpfe seines Volkes - und k...

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