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  • Kultur
  • Eine Krippenausstellung im Museum für bergmännische Volkskunst Schneeberg zeugt von der Neubelebung einer alten Tradition erzgebirgischer Schnitzkunst

Joseph war ein Bergmann. ..

  • Lesedauer: 3 Min.

Foto: Volkmar Hesse

Holzgestalter Reinhold Muller schuf diese schöne Krippe

Als sich 1990 der „Verband Erzgebirgischer Schnitzer“ (VES) gründete, war eines seiner ersten Vorhaben, die Tradition der Krippen-Ausstellung wiederzubeleben, die seit 1934, seit 60 Jahren also, unterbrochen war. Vier Jahre brauchten die Organisatoren, um dieses Ziel zu realisieren. Im Januar 1994 konnte der Vorsitzende des VES die „Erzgebirgische Krippen-Ausstellung“ im Museum für bergmännische Volkskunst Schneeberg eröffnen. Dietmar Lang ist stolz darauf: „Nach vielen Jahren ist es gelungen, ein Stück Kulturtradition einer Region in solch einer Konzentration der breiten Öffentlichkeit zu präsentieren.“

Zu sehen sind 86 Krippen von 65 Einzelschaffenden und Vereinen aus 28 Orten. Das Angebot reicht von Miniaturen in Nußschalen bis zu Figurengruppen, die sich sonst auf einer der zahlreichen Ortspyramiden des Erzgebirges drehen. Beachtenswert die vielfältigen Techniken und der

Formenreichtum der Arbeiten. Die älteste ist eine „Krippe für Arme“, die der Oberwiesenthaler Maler Karl Hertelt um 1860 als Bilderkrippe auf Pappe angefertigt hatte, die neueste entstand 1994. Warum eine Krippenausstellung im Erzgebirge erst nach Weihnachten gezeigt werden kann, erfuhr man von Dietmar Lang: „Welcher Erzgebirger gibt über Weihnacht seine Krippe schon außer Haus?“ Mit dieser Exposition bekräftigte Schneeberg zugleich „seinen Anspruch, Zentrum erzgebirgischer Volkskunst zu sein“. Professor Manfred Bachmann, Nestor erzgebirgischer Volkskunst, betonte bei der Eröffnung: „Die Ausstellung gibt Anlaß, über die Volkskunst neu nachzudenken. Gerade die Krippe war und ist Ausdruck politischer Haltungen.“

Das Erzgebirge ist bekannt als Heimstatt eigenständiger kultureller Entwicklung. Besondere Ausdrucksstärke erlangte der Umgang mit Holz,

für Bergmänner ein wichtiges Arbeitsmittel. Als das „Berggeschrei“ verstummte, die schwere Grubenarbeit als Haupterwerbsquelle versiegte, sahen viele Bergleute im künstlerischen Umgang mit Holz eine neue Erwerbsmöglichkeit. Schnitzen und Drechseln machten die erzgebirgischen Handwerker bekannt. In die Arbeiten flössen die Erlebnisse der Arbeitswelt ein, es entstand eine eigenständige, regional begrenzte Volkskunst. Dem Bestreben, diese Kunstfertigkeiten zu bewahren und zu vermitteln, widmeten sich viele Vereine. So wurde, unter Leitung des 1922 gegründeten „Verbandes Erzgebirgischer Bildschnitzer“, die „Deutsche Krippenausstellung“ organisiert. Wenn auch in dieser Schau bereits ein unheilvoller politischer Hintergrund spürbar wurde, war es dennoch ein Erfolg, der durch breite öffentliche Wirkung den Ruf des Weihnachtslandes Erzgebirge weiter begründete. Mit der

Gleichschaltung des deutschen Vereinswesens durchdrangen ideologische Vorbehalte auch die yolkskünstlerische Arbeit. Die Krippenausstellung 1934 in Aue war die letzte dieser Art in Deutschland. Bewußt sollte das Deutsche in den Vordergrund gestellt werden: Weg von allem

Orient.alisphpn!

Doch im Erzgebirge hatte sich bereits ein Trend, unabhängig von politischen Vorgaben, entwickelt. Die Krippen der Region waren schlicnter, nicht so aufwendig. Die Figuren waren von der Region geprägt und weniger von der Schwere der Arbeit hier, Joseph war oftmals ein Bergmann, die drei Könige trugen Gewänder von Bergoberen, die Krippe wurde eine Kaue. Eine besonders schöne Arbeit, die diese Allegorie zum Inhalt hat, stellt der Stützengrüner Holzgestalter Reinhold Müller in dieser Ausstellung aus, die ihre Pforten noch bis zum 20. März 1994 offen hat.

ANDREAS HAEßLER

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