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  • Kultur
  • Karl Heinrich Grauns „Merope“ im Potsdamer Schloßtheater

Kabarettistisch-barocke Seria

  • Lesedauer: 3 Min.

Der Alte Fritz in seiner neuen, erwünschten letzten Ruhestätte in Sanssouci wird seinen Ohren kaum getraut haben: Kamen doch ganz aus der Nähe, aus dem reizenden kleinen Schloßtheater im Neuen Palais, vertraute Klänge. Man musizierte die Opera im italienischen Gusto, „Merope“, die ihm sein musikalischer Lehrer und Freund Karl Heinrich Graun einst komponierte und für die er höchstselbst das französische Libretto verfaßt hatte. Anno 1756, vor Beginn des siebenjährigen Krieges, war das Opus (natürlich in italienischer Sprache) in Friedrichs neuem Opernhaus zu Berlin uraufgeführt worden. Der Preußenkönig hatte das Sujet einer Tragödie seines Rheinsberger Philosophenfreundes Voltaire nachgekupfert und damit dem bissigen Franzosen und genialen Aufklärer seine Reverenz erwiesen.

Das Ensemble des Potsdamer Hans-Otto-Theaters hat sich gemeinsam mit den Musikern der Brandenburgischen Philharmonie des Werkes neu angenommen, nun wird in deutscher Sprache gesungen. Bettina Bartz und Werner Hintze schrieben die neuen Texte, und sie lieferten für diese Aufführung damit eine prächtige Vorlage. Da wird die steife Handlung in ein Sprachmilieu gebracht, das mit dem Zierat der zu Friedrichs Zeiten modischen italienischen Oper recht respektlos umgeht, das aber zugleich etwas vom bissigen Geist des Libretto schreibenden Monarchen für die Gegenwart bewahrt.

Eine Haupt- und Staatsaktion auf spiegelblankem Parkett findet statt: Die königliche Witwe Merope, die um den ermordeten Gatten und den vermeintlich toten Sohn trauert, wird von dem brutal-intriganten Polifonte bedrängt. Er will ihr Reich. Darum soll sie ihn heiraten. Der von einem Getreuen gerettete Sohn Egisto taucht auf, gerät in die Fänge des Polifonte. Die nichtsahnende Merope soll ihn töten. Das geht natürlich schief. Egisto verhindert die erzwungene Heirat, indem er höchstselbst den Tyrannen meuchelt. Nun kann er sich mit der Mutter in die Herrschaft teilen.

Grauns Musik packt das Ganze in sauber nach der Art der Zeit gedrechselte Klänge. Die.,.Akteure,, werden, ,damit ganz überzeugend fertig. Und

der in diesem Metier erfahrene Regisseur Peter Brähmig nutzt die Chance: Er macht aus den Koloraturen brillant witzige Aktionen, setzt dem Ganzen ironisch pointierte Lichter auf. Aus den Staatsaktionen werden so komödiantische Spiele, mit der Musik, mit Kostümen, mit Haltungen und Gesten, mit sparsamem Inventar.

Die friederizianische Oper wird mit viel Geschmack gegen den Strich gebürstet. Heraus kommt keckes, virtuoses Operntheater. Brähmig und seine Truppe sind musikalisch und darstellerisch auf der Höhe. Da wird die barocke Seria fast zum politischen Kabarett. Die liebenswürdige Musik aus Monarchenfeder mobilisiert alle .theatralischen Reserven.

Das alles hat Eleganz und Esprit. Vorzüglich werden die

Akteure auf der Bühne mit ihren anspruchsvollen Gesangsaufgaben fertig: Gabriele Näther (Merope), Renate Loeper (Egisto), Eva-Marlies Opitz (Polifonte), dazu Werner Marschall mit artistisch präsentierten Tenor-Koloraturen, Bärbel Lober und Alenka Genzel als vertraute Meropes und Polifontes erweisen sich als in diesem musikalischen Metier erfahrene Künstler. Auch die Musiker der Brandenburgischen Philharmonie sind unter Stefan Sanderling mit Perfektion bei der Sache.

Entgegen manchem nun wahrlich inkompetenten Unkenruf hat das Hans-Otto-Theater erneut bewiesen, daß es in dieser k^niglig^ei), Spielstätte absolut zu Hause ist.

HANS JÜRGEN SCHAEFER

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